Allens Natürlichkeit überzeugte mehr als eine durchgestylte Choreografie. Das beeindruckte auch die Hamburger Fans.

Hamburg. "Ich warte unten auf euch, hier oben ist es mir zu heiß, okay?" Nachdem die Mutter weg ist, geht das Konzert für zwei junge Mädchen mit ausgeschnitten Tops erst richtig los: Eine eingeschmuggelte Piccolo-Sektflasche wird geköpft, zwei Zigaretten angesteckt und ausgelassen getanzt. Das Bild des selbstbewussten Superstars Lily Allen macht Eindruck auf die beiden Teenager von vielleicht 16 Jahren.

Beim Konzert der 24-jährigen Engländerin im ordentlich gefüllten DocksCLUB sind es vor allem die sarkastischen Parolen, die es den Fans angetan haben. Seit dem Beginn ihrer Karriere mit dem Hit "Smile" im Jahr 2006 versteht es Allen in Perfektion, melodisch zuckersüße Popsongs durch bitterböse Texte zu brechen und Dinge auszuplaudern, die die heutige Mädchengeneration auch beschäftigt: Sexuelles Selbstbewusstsein, Diäten verachten, nicht immer das zahme Girlie sein.

Lily Allen ist schnell zu einer Art Role Model geworden, sie lebt öffentlich, sagt, was sie denkt und wird von der Klatschpresse täglich verfolgt. "Für Leute wie Britney, Amy und mich ist es, als würde man permanent im 'Big Brother'-Haus leben", kommentiert Allen das aufdringliche Interesse. Gerade in den letzten Monaten dokumentierten Paparazzi fast täglich ihr Leben: Fehlgeburt, Trennungen und neue Lieben werden ausgeschlachtet. Lily Allen aber ist keine simple Rebellin mehr, sondern eine starke Frau, die sich politisch und sozial engagiert. Um den großen Glamour geht es ihr nicht, das zeigt auch die unprätentiöse Bühnenshow.

Anstelle einer durchgestylten Choreografie erlebt man eine natürlich lockere junge Frau auf der Bühne: Lily Allen tigert lässig hin und her und zieht am Strohhalm ihres großen Plastikbechers, der aussieht, als hätte sie ihn gerade bei McDonald's auf dem Kiez gekauft. Über ein Kaugummi, das ihr an den Kopf geworfen wird, lacht sie nur souverän und bedankt sich "für das schöne Geschenk". Zwischendurch steckt sich auch Allen, jedes Mal vom Publikum umjubelt, mehrere Zigaretten an, Gesundheitsbotschafterin will sie nicht sein. Im Gegensatz zu manch anderem Popstar wird Lily Allen von einer richtigen Band begleitet, die ihre Songs in einen dicken Mischsound aus Ska, Reggae, Rock und Elektropop packt.

Auch ihr Outfit unterscheidet sich von Popsternchen, die zu jedem Song ein anderes Latex-Glitzer-Teil vorführen. Lily Allen trägt eine dunkle Hose mit hohen "Pretty Woman"-Stiefeln, dazu schlichte Unterhemden und T-Shirts, die sie zweimal während der Show wechselt. Die performerische Reduktion tut dem Konzert allerdings nicht nur gut: Man hat die Sängerin schon mitreißender gesehen, auf dem diesjährigen Hurricane-Festival zum Beispiel, bei dem der ansteckend gut gelaunte Star als eines der Highlights in Erinnerung blieb.

Das Hamburger Publikum zeigt sich nun vor allem bei überraschenden Wendungen der Show ausgelassen: Eine treibende Coverversion des Britney-Spears-Hits "Womanizer" und ein rasanter Auftritt des englischen Rappers Professor Green, der wie Allen durch das Online-Portal Myspace bekannt wurde.

Auf dem Höhepunkt ist die Show während der Zugabe, beim aktuellen Single-Hit "Not Fair". Darin beschwert sich Allen über ihren total netten Freund, der leider im Bett versagt. Natürlich lachen die beiden Mädchen darüber, auch die Mutter ist inzwischen wieder da und stimmt mit ein. Die Tatsache, dass dann auch noch Väter, Jungs, tätowierte Rocker und Journalisten lauthals mitsingen, kann man durchaus als emanzipatorische Leistung anerkennen.