Serie: In Kürze wird er 65, aber seine Talente lassen Wolfgang Joop noch längst nicht ruhen. Mode-Star, Maler, Mäzen - und wer ist der Mensch dahinter?

Auftakt einer fünfteiligen Serie

Es ist lange her. Ende der 80er muss es gewesen sein, Wolfgang Joop lebte noch in Hamburg in seinem herrlichen Stadthaus in der Badestraße. Er war noch der Joop mit dem Ausrufezeichen dahinter. Ich kannte ihn nur flüchtig, wir waren zum Interview verabredet. Er lag hingegossen auf einem Sofa und posierte und blubberte, ohne dass ich nur eine Frage gestellt hatte. Ich erinnere nicht mehr, worum es ging, nur dass die Situation irgendwie nervte und ich den Joop als zu affektiert empfand, in ungeahntem Reportermut das Tonband ausstellte und erklärte, so ginge es nicht. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, im nächsten Moment ohne Interview wieder auf der Straße zu stehen, doch Wolfgang Joop erhob sich, grinste sein Jungsgrinsen und sagte, wir sollten doch einfach noch mal anfangen, uns lieber oben auf die Terrasse setzen, das Wetter sei doch so schön. Es wurde ein gutes Interview und darüber hinaus ein sehr langes, schönes Gespräch über die wichtigen Dinge und die Herausforderungen des Lebens außerhalb des Modezirkus.

Damals habe ich Wolfgang schätzen gelernt, den Mann, der immer und auch in der Öffentlich von entwaffnender Ehrlichkeit und Direktheit ist und doch oder vielleicht auch deswegen als zwar mondän, aber eben überspannt katalogisiert wird. Und dabei auch ein so liebevoller, tief gründelnder, zerrissener und mitreißender Mensch ist.

Die Jahre danach wurden allerdings nicht besser. Er machte Joop! und weiter Weltkarriere, lebte viel und überdreht in New York. Irgendwann sahen wir uns wieder bei einer Shop-Präsentation, beim vorübergehenden FDP-Outing (das längst in echte Merkel-Sympathie umschlug), bei einer Parfüm-Promotion. Stets lustig und irgendwie anstrengend. Für Journalisten ist Wolfgang Joop gute Beute, amüsant und eloquent wie er ist, sprachgewandt, kantig und gebildet bis in die störrischen Haarwirbel hinein; man kann stets sicher sein, geschliffene, dabei nicht abgenutzte, entwaffnend ehrliche Statements zu bekommen.

Genau genommen kann er sich selbst ja auch Journalist nennen. Für den "Spiegel", den "Stern" und viel für die "Welt" und die "Welt am Sonntag" hat er geschrieben, gesellschaftsrelevante, messerscharfe, kluge Beobachtungen und Interviews. Später den autobiografischen Roman "Im Wolfspelz", auch ein witziges Kochbuch oder das Liebesbüchlein "Das kleine Herz". Dass er es anfangs vor allem tat, um dem Vater die scheinbare Mühelosigkeit des Schreibens zu demonstrieren, ist mir erst klar geworden, als wir anfingen, an der Autobiografie zu arbeiten. Vater Gerhard Joop war Journalist, Feuilletonist, arbeitete, nachdem er erst 1952 aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, als Chefredakteur der Westermann-Hefte in Braunschweig. Und wenn der Vater schrieb, musste das Haus still sein, gefühlte tagelang.

Das Verhältnis zwischen Joop senior und junior war schwierig. Vater Joop hatte sich auf einen akkuraten preußischen Jungen gefreut, als er endlich nach Hause kam, stattdessen saß da ein achtjähriges, von Mutter und Tanten und Großfamilie verwöhntes, kleines Wunderkind und zeichnete. Für das Einzelkind war der Vater Konkurrent, plötzlich sollte er die Mutter teilen. Und dazu noch von Bornstedt nach Braunschweig ziehen. Was für ein Albtraum für den Träumer, statt über den magischen Friedhof am Gartenende schnell zum im Schloss Sanssouci zu eilen und mit dem Alten Fritz Luft-Tee zu trinken, sollte er in Braunschweig funktionieren und ein humanistisch gebildeter Vaterstolz werden.

Gerhard Joop meinte es ja durchaus gut, auch als er den Sohn mit zehn auf die Kunsthochschule schickte, damit sie ihm dort die Flausen aus dem künstlerischen Kopf vertreiben. Wolfgang litt, er war ja der kleine Dumme dort zwischen den großen Studenten.

Bevor er in die Rolle des Modemachers geschlüpft wurde - das Geschobenwerden vom Schicksal ist einer der roten Fäden seines Lebens -, berichtete Wolfgang Joop in den 70ern in Wort und vor allem mit Skizzen von den Schauen in Paris, zu denen ja nicht wie heute Busladungen von Fotografen geladen waren. Große Mode war noch eine elitäre Angelegenheit, nur ein kleiner Kreis von Auserwählten zugelassen. Zu dem Wolfgang und Karin, seine Frau, gar nicht gehörten, aber trotzdem Zugang fanden, einfach weil sie cool waren. Bohemiens in Secondhand-Klamotten, ein echtes "It"-Paar. Yves Saint Laurent lernten sie kennen, weil sie eine perfekte Kulisse abgaben für seine Pariser Show, sie standen vorm Showroom auf der Straße an, hofften, ohne Karten irgendwie Einlass zu bekommen , als YSL persönlich aus seinem schwarzen Auto sprang und sie ansprach und einlud. Dass daraus keine enge Freundschaft wurde, ist dem introvertierten Wesen des verstorbenen Saint Laurent zuzuschreiben, der sich stets am Rande eines Nervenzusammenbruchs bewegte, es ist aber auch typisch für Wolfgang Joop. So kultig er und auch Karin aussahen, so waren sie doch in einer anderen Zeit verhaftet, viel bodenständiger, viel naiver als der Zeitgeist forderte.

Und sie waren ja auch schon Eltern, zufällig, aber gern, auch wenn die kleine Jette zunächst meist bei den Großeltern lebte, bei Charlotte und Gerhard Joop, während die Eltern als "Powercouple" die Bekleidungsindustrie berieten und aufmischten. Schon an der Kunsthochschule in Braunschweig hatte er sich mit seinem echten Interesse an Techniken wieder fehl am Platze gefühlt. Kommilitonin Barbara Langhans etwa, die Schwester des späteren Kommunarden Rainer, schrie ihn an , dass die Schönheit in seinen Zeichnungen grundsätzlich faschistoid und frauenfeindlich sei und er gefälligst das Hässliche einbringen solle, den Bruch, die Provokation. Doch das wollte er gar nicht. Er interessierte sich für die Wiener Schule, für Surrealismus und wollte viel lieber lernen, wie man holländische Blumenstillleben malt, so wie die, die ihn in Sanssouci verzaubert hatten.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass seine Arbeit später durchaus Brüche und Provokationen aufzeigt, aber eben nicht als Ergebnis von organisiertem Protest, sondern aus Empfindungen heraus. So kompensierte er zum Beispiel einen gewissen Frust über das gewünschte Mainstream-Design bei Joop! mit avantgardistischen, aufregenden Werbekampagnen. Allerdings ist Joop nie auf Krawall gebürstet. Er möchte gefallen, auch irgendwann sich selbst.

Auf dem Weg dorthin ist er, seit er Anfang des neuen Jahrtausends nach Potsdam zog - zurück zu den Wurzeln - und das Wunderkind sich entfalten ließ. In jeder Hinsicht. Eine viel bewunderte Couture-Marke schuf, sein Geld und alle seine Talente nahm, um dem Künstler und dem Modeschöpfer gerecht zu werden. Und darüber sich selbst.

Sein Leidensdruck und seine Leidenschaft liegen eng beieinander, wie das Kümmern und der Glamour, hochsensibel und rebellisch zugleich ist sein Wesen, immer auf der Suche nach Anerkennung und Spiegelung, dabei unbedingt treu und anständig. Er sagt ohne Pathos Sätze wie: "Gerade wenn du dich mit den schönen Teil dieses Planeten beschäftigen willst, also mit Menschen, die schön sind, mit schönen Dingen, dann spürst du ganz deutlich auch die Traurigkeit. Denn alles was schön ist, zeigt die Vergänglichkeit, betrifft uns, trifft uns. Ich bin dankbar, auch für die Fähigkeit des Reflektierens."

Es mangelt ihm nicht an Selbstbewusstsein, aber es ist keine Arroganz darin, und es mangelt ihm auch nicht an Eitelkeit. Für sein Alter, den nahenden 65. Geburtstag und das viele Leben, in dem es auch Drogen und Exzesse gab, sieht er provozierend gut aus. Was aber auch damit zu tun hat, dass er eigentlich ein Naturkind ist. Im See vor seinem Haus schwimmt oder im Pool oben in der prächtigen weißen Villa Wunderkind. Wenn er in Potsdam ist, dann schwingt er sich aufs Rad und radelt zur Mutter, die wieder in Bornstedt lebt, dem geliebten Gut der Kindheit. Das Zentrum der Sippe, die Töchter Jette und Florentine haben hier Räume, auch die wieder verheiratete Ex-Frau Karin Joop-Metz hat ein Häuschen auf dem Areal.

Wenn man dort ist, durch den großen, bildbandmäßig angelegten Zier- und Nutzgarten schlendert, versteht man, warum Wolfgang Joops Karriere einen anderen Verlauf nahm als die seiner einstmals so engen Freundin Jil Sander oder von Karl Lagerfeld. Wolfgang Joop hatte nie nur ein Ziel, keine thematische Vision, ihm fehlte die Stringenz, alles der einen Karriere unterzuordnen, weil er immer auch die Familienwelt wichtig nahm, abgelenkt war. Dass er sich von der Mutter seiner zwei Töchter trennte und schließlich auch schwul wurde, steht dazu nicht im Widerspruch, denn aufgehört für alle zu sorgen hat er nie.

In diesem Geist, in diesem bei allen Visionen geerdeten Leben post 2000 wurden wir Freunde. Vor zwei Jahren rief die Verlegerin Anja Heyne an und fragte, ob wir ein Buch machen würden über Wunderkind in allen Facetten. Warum nicht? Edwin Lemberg, mit dem Wolfgang Joop seit 30 Jahren in einer "Bruderschaft" - wie er es nennt - lebt, grub Berge von Bildern im reichen Archiv und in privaten Schatzkartons im Keller aus, Wolfgang und ich fuhren nach Sylt und redeten und redeten und haben seither auch nicht mehr aufgehört. Oft saßen wir am langen Marmortisch im Erdgeschoss der Villa Wunderkind und haben in Erinnerungen geschwelgt - er kann sich ja auf den Punkt erinnern -, haben gedacht, gelacht, gelästert und manchmal auch ein bisschen geweint. Oder Edwin Lemberg und Walter Fischer, der Hamburger "Haus"-Layouter und gute Freund und ich saßen am "Arbeitstisch" im ersten Stockwerk und wühlten und sondierten, bis von unten der Ruf von Wolfgang aus der Küche kam: "Nun kommt schon runter, ich habe Essen gemacht!" Spaghetti mit Fantasiesoße, dazu Salat, schnell im Garten gepflückt wie die Kräuter und mit homemade Senf-Zitronen-Soße.

Wie sagte Wolfgang an einem dieser Abende:"Kein Leben ist lang genug, um das Glück auf später zu verschieben."

Weitere Informationen zur Kollektion auf www.wunderkind.de