Absurder kann eine Geschichte kaum beginnen: Männlicher Pornodarsteller wirft seinen Job hin, eröffnet einen Strickwarenladen und nennt ihn “Plutos Liebe“.

Hamburg. Diese Konstellation hat sich der in Stuttgart lebende Wiener Autor Heinrich Steinfest für den Anfang seines neuen Kriminalromans "Gewitter über Pluto" ausgedacht.

Lorenz Mohn heißt die Hauptfigur in dieser genial ersonnenen wie versponnenen Geschichte. Gerade 40 Jahre alt ist Mohn geworden, als ihn der Anblick einer an einem Pullover häkelnden Pornokollegin dazu inspiriert, seinem Leben jene dramatische Wende zu geben, die ihn hineinreißen wird in einen Strudel, der alles andere ist als weich wie die Wolle, die Mohn an seine weibliche Kundschaft bringen will. Denn da man auch für einen Strickwarenladen ein gewisses Startkapital benötigt, schaut sich Mohn nach potenziellen Kreditgebern um - und gerät an eine geheimnisvolle Frau, die keine ganz unbedeutende Rolle in der Wiener Unterwelt zu spielen scheint. Sie leiht Mohn die gewünschten 200 000 Euro, zinslos, allerdings mit der Auflage, sie in exakt sieben Jahren auf einen Schlag zurück zu zahlen. Oder an eben jenem Tag ein Leben zu retten.

Mohn lässt sich auf den Deal ein und beginnt, einen angemieteten Laden zu renovieren, in dessen Hinterzimmer er auf einer Pritsche auch nächtigt. Was zu gewissen Unannehmlichkeiten führt, denn als er eines Morgens erwacht, tritt er beim Aufstehen in etwas Feuchtes, das sich als umfangreiche Blutlache herausstellt. Unter Mohns Bett liegt eine Leiche. Es ist der einstige Inhaber des Ladens, der dort früher eine Bäckerei betrieb - und sich als Hobby-Archäologe eingehend mit dem Urvogel, dem Archaeopteryx, beschäftigte.

Steinfest entwickelt in der Folge eine Geschichte, die ihresgleichen sucht: Der Tod des Ex-Bäckers hängt irgendwie zusammen mit der Suche nach dem urzeitlichen Vogel, der wiederum auch auf der Einkaufsliste ganz anderer Gestalten steht. Das sind schlicht Außerirdische, die ihren Heimatplaneten Pluto verlassen haben und seit Jahren unerkannt als unbescholtene Bürger auf der Erde leben, zum Beispiel als Herausgeber eines "Bürgerblatts für Verstand, Herz und gute Laune" im beschaulichen Schwaben.

Da hilft Mohn auch nicht, dass er endlich die Liebe seines Lebens gefunden zu haben scheint: Mit diesen seltsamen Mächten gerät er mächtig in die Wolle. Und Heinrich Steinfest löst dieses komplexe Rätsel auf in einem flirrenden Spiel aus Wahn und Wahrheit und Dichtung.

Eigentlich sind die Bücher, die Steinfest schreibt, keine Kriminalromane, es sind philosophische Grotesken, verfasst in einem Stil, der souverän mäandert zwischen leichthändiger Eleganz und genial verschrobener Wucht. Nicht umsonst stand Steinfest mit seinem Roman "Ein dickes Fell" vor drei Jahren auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis. Neben dem Wiener Wolf Haas und dem Briten David Peace zählt er fraglos zu den Neuerern des Kriminalromans.

Sag einer, was er will: Heinrich Steinfest ist einer der großen deutschsprachigen Schriftsteller. Und "Gewitter über Pluto" ist sein erzählerisches Glanzstück.

3. Hamburger Krimifestival Heinrich Steinfest liest, Denis Scheck moderiert, Do 5.11., 20 Uhr, Lichthof im Altbau der Staats- und Universitätsbibliothek, Eintritt 10 Euro; Karten bei Heymann (T. 040/48 09 30), in den HA-Ticketshops und unter der HA-Ticket-Hotline T. 040/30 30 98 98; alle Infos unter www.krimifestival-hamburg.de