Teil 1 der Bestsellerverfilmung von Stieg Larssons Thriller-Trilogie kommt ins Kino. Der Hauptdarsteller passt wie vom verstorbenen Autor selbst ausgesucht.

Hamburg. Phänomen. Das Schlagwort, seit über Stieg Larsson und seine Thriller-Trilogie mit den Titeln "Verblendung", "Verdammnis" und "Vergebung" geschrieben und gesprochen wird. Dabei stehen die Bücher des politischen Journalisten und Autors weder für ein Wunder, noch sind sie Teil eines seltenen Ereignisses: Ein schwedischer Schriftsteller schreibt drei Kriminalromane, die sich weltweit millionenfach verkaufen und verfilmt werden. So weit, so normal.

Was die Geschichte anders und besonders macht: Der geniale (per definitionem also doch phänomenale) Larsson erlebte den Erfolg nicht mehr; er starb 2004 im Alter von 50 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts, kurz nachdem er die ersten drei von geplanten zehn Manuskripten an einen Verlag verkauft hatte. Anders auch: Während schwedische Bestseller-Charaktere wie die Kommissare Beck und Wallander und die Ermittlerin Irene Huss es "nur" zu Fernsehfiguren brachten, schafft Larssons Held, der geradezu manische Rechercheur und renommierte Enthüllungsjournalist Mikael Blomkvist, gleich den Sprung ins Kino. Morgen feiert "Verblendung" im Rahmen des Hamburger Filmfests seine Deutschlandpremiere; am 1. Oktober startet der Streifen bundesweit, 2010 kommen "Verdammnis" und "Vergebung" in die Kinos.

Der Schwede Michael Nyqvist (48) mimt in allen Filmen den Blomkvist - und Larsson selbst hätte wohl keinen anderen ausgesucht, vor allem wegen der Wesensverwandtschaft zwischen Autor, Schauspieler und Filmcharakter. "Ich habe mich im Wesentlichen damit vorbereitet, dass ich an meine politisch aktive Zeit in den späten 70er- und 80er-Jahren dachte", erzählt Nykvist. Hellwach, konzentriert und seinem Gesprächspartner direkt in die Augen blickend, erinnert er sich: "Wir waren links orientiert, haben jede politische Zeitschrift gelesen und tagelang diskutiert. Es ging immer darum, wie man das Leben verändern und verbessern, für mehr Gerechtigkeit sorgen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen kann. Wir waren Idealisten."

So sieht er auch den Protagonisten in "Verblendung": "Larsson hat einen neuen Heldentyp kreiert. Keinen Macho für spektakuläre Action-Szenen, sondern einen, der zuhört, immer gegenwärtig und sehr gescheit ist. Einer, für den gilt: Clever zu sein bedeutet sexy zu sein." Ein Typ, der Nykvists charismatischer Ausstrahlung und seinem intensivem Spiel entgegenkommt.

"Zuerst wollte ich die Rolle nicht annehmen", sagt er, "ich dachte, wegen des Erfolgs der Bücher kann der Film nur ein billiges Kommerzding werden." Das war, bevor er Larssons Bände las. Danach und ein Gespräch mit dem dänischen Regisseur Niels Arden Oplev später sagte Nyqvist zu: "Ich wusste, dass ich Blomkvist so spielen darf, wie ich ihn sehe: als Larssons Alter Ego." Also als den moralisch integren Mann, der alles hinterfragt, ständig nach Skandalen stochert im politischen Sumpf und nazistische Umtriebe publizistisch geißelt, der jede Form von Korruption gnadenlos anprangert.

In "Verblendung" wird Blomkvist von einem alternden schwerreichen Industriellen beauftragt, das Schicksal seiner seit Jahrzehnten verschollenen Nichte aufzuklären. Dabei tauchen Blomkvist und seine Partnerin Lisbeth Salander (Noomi Rapace) ein in eine mörderische, tief in die Nazizeit und deren Auswüchse zurückreichende Familiengeschichte. Sie kommen Politintrigen auf die Spur, blicken in aberwitzige menschliche Abgründe und müssen mehrfach um ihr Leben fürchten. Film und Buch zeichnen ein wenig schmeichelhaftes Bild der einst als vorbildlich geltenden schwedischen Gesellschaft. Ein reales Bild, sagt Nyqvist: "Die schwedische Fassade mag ganz gut aussehen, aber dahinter brodelt es gewaltig."

Um das zu erzählen, braucht er selbst keine große Gestik, sondern erzielt maximale Wirkung mit minimaler Mimik.

Und das macht er phänomenal gut.

Verblendung im Abaton, Cinemaxx, UCI Othmarschen Park und Smart City, Zeise