In dem Büchner-Drama lässt Duzan David Parizek konträre Auffassungen von Freiheit aufeinanderprallen.

Hamburg. Theater nimmt sich neuerdings die Freiheit, im Freien zu beginnen. Vor der Vorstellung zu unterhalten, ist zwar nicht neu, scheint aber wieder Trend zu sein. Einen beklemmenden Prolog vor dem Theater bot Marlon Metzen in seiner Deutschland-Recherche und satirischen "Mauerfall-Feier" im Thalia in der Gaußstraße. Beim Maxim-Gorki-Gastspiel des Hamburger Theaterfestivals nahm Goethes "Werther" schon im Thalia-Foyer Kontakt zum Publikum auf. Nun predigten ihm vor der Schauspielhaus-Premiere von Büchners "Dantons Tod" die Revolutionäre vom Vordach unter Lautsprecherjubel: "Die Freiheit ist kein Kinderspiel."

Der Beweis folgte prompt drinnen im Saal. Waren Robespierre und Danton draußen noch Brüder im Kampf für das Volk, werden sie auf der Bühne zu Kontrahenten im Verständnis von Freiheit. Jeder soll nach seiner Natur handeln dürfen, fordert der Sinnenmensch Danton. Für ihn gibt es weder Tugend noch Laster. "Das Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrat", kontert Sittenwächter Robespierre und verteidigt mit der Moral das Recht, über Leichen zu gehen.

Der Regisseur stellt beider Rededuelle ins Zentrum der nur zweistündigen Aufführung. Er hat Büchners Stück stark gestrichen, die 30 Figuren auf acht Schauspieler reduziert, von denen einige Passagen anderer Rollen sprechen. Den Disput über Gott - Büchner hat ihn dem Philosophen Thomas Payne in den Mund gelegt - spricht das Freundespaar Danton und Camille Desmoulins (Janning Kahnert). Und Julie Danton (Ute Hannig) darf vorm Tribunal ihren Mann verteidigen. Sie und die selbstbewussten Frauen - Lucile Desmoulins (Julia Nachtmann) und Marion (Irene Kugler) - verkörpern die Liebe gegenüber der gnadenlosen Staatsraison. In minutenlangen Küssen verschmelzen sie mit ihren Partnern.

Gegen sie wirkt Robespierre weltfremd. Lukas Holzhausen gibt dem "Blutmessias" einen "unschuldig" festen Glauben in seine Ideale, verweist jedoch darin auf die Gefahren "ehrlicher" Überzeugung von Fanatikern oder Ideologen. Überdrüssig des Blutvergießens und Lebens zeichnet Markus John - ein starker Neuzugang im Ensemble - den an sich und der Revolution (ver)zweifelnden Frauen- und Freiheitshelden. Einen Rocksong auf den Lippen, legt er sich in die Arme der nächsten Frau, überhört die Warnungen seines Freundes Camille.

Die Schauspieler richten ihre Reden direkt an die Zuschauer. Sie sind die Adressaten, das "Volk", im Disput über die Prinzipien von tolerantem Humanismus und messerscharfem Idealismus. Den "Parteien"-Gegensatz spiegelt der Regisseur - wie in seiner "Kabale und Liebe" - im Raum, den die Diagonale einer hohen Holzwand spaltet. Auch nimmt er sich wieder die Freiheit, den gestrafften Text analytisch zu durchleuchten, was zwar auf Kosten der Action geht, aber Büchners plastische Bildersprache zum Leuchten bringt.

Dantons Tod 19., 23., 29.10., 6.,8., 28.11., Schauspielhaus, Karten: T. 24 87 13