In “Green Porno“ zeigt der Star, wie sich Seesterne fortpflanzen und welche Sexualpraktiken Sardellen und Napfschnecken bevorzugen.

Hamburg. Viel hätte nicht gefehlt, und aus Isabella Rossellini wäre eine studierte Biologin geworden. Was für eine Vorstellung - keine Skandalrolle als betörende Nachtklubsängerin in "Blue Velvet", kein Jahrzehnte währender Vertrag mit dem Kosmetikriesen Lancome, und die Regisseure David Lynch, Martin Scorsese und Guy Maddin hätten sich eine andere Muse suchen müssen.

Zum Glück ist es anders gekommen. Sie ist als Model und Schauspielerin berühmt geworden und hat ihre früh erwachte Leidenschaft für die Tierwelt im Allgemeinen und streunende Hunde im Besonderen nur privat ausgelebt. Immerhin bildet Signora Rossellini Blindenhunde aus.

So gesehen schließt sich mit den Green Pornos, die die aus New York Angereiste am Freitag im Schauspielhaus präsentierte, ein Kreis: die Kombination von Tier und Film, besser gesagt: von Greenpeace und Porno.

Es handelt sich bei den Green Pornos um einminütige Kurzfilme, 18 insgesamt, die sich im Internet großer Beliebtheit erfreuen und erfolgreich auf Festivals, etwa der Berlinale, gezeigt wurden. Sie funktionieren im Wesentlichen nach folgendem Prinzip: "Wenn ich eine Napfschnecke wäre", sagt Isabella Rossellini, "würde ich meine Weichteile an einem Felsen schützen. Andere Napfschnecken würden vorbeischwimmen und sich auf mich draufsetzen. Auf mir werden alle Napfschnecken zu Männchen, und wir würden uns paaren." Während sie das erzählt, trägt die Schauspielerin ein grünbraunes Pappmaschee-Kostüm, robbt über den Boden und schmiegt sich an eine ebenfalls papierene Felswand. In anderen Filmen spielt Rossellini einen Seestern, eine Garnele, einen Rankenfüßer. Sie tapst herum, häutet sich aus einem fleischfarbenen Stoffpanzer, sondert als Riesenbiene einen Haufen Eier ab und trägt einen meterlangen erigierten Schaumstoffpenis vor sich her. Eine Aufklärerin in tierischer Verkleidung, mit vollem Körpereinsatz unterwegs. Eitel, so viel lässt sich nach diesen Auftritten sagen, kann man die Schauspielerin gewiss nicht nennen. Es ist selbstverständlich wissenschaftlich korrekt, was Isabella Rossellini ihren Zuschauern von den Sexualpraktiken der Unterwasser-Tierwelt erzählt. Vor allem aber ist es humorvoll, hübsch anzusehen und sehr, sehr schräg. Ein bisschen Kasperltheater, ein bisschen Thomas-Demand-Kunst.

Sie lacht gerne und viel, die Tochter der Kinolegenden Ingrid Bergman und Roberto Rossellini, das sieht man ihren Filmen an und auch ihrem Gesicht, wenn man nur wenige Meter von ihr entfernt sitzt. Immer wieder prustet es aus ihr heraus, die großen, goldenen Ohrringe schaukeln, ihr Gesicht leuchtet. Als Model, sagt sie mit nicht zu überhörendem italienischen Akzent in der weichen Stimme, als Model hatte sie nur selten die Chance, komisch zu sein. Mit Green Porno will sie unterhalten - und tadelt nur am Rande unsere Essgewohnheiten: "Würden wir noch Tintenfische und Anchovis essen, wenn wir besser über die Fangpraktiken informiert werden? Mir ist der Appetit vergangen", sagt Rossellini.

Bei aller Absurdität und Komik sind die knalligen Kurzfilme also durchaus ernst zu nehmen. An der Highschool von Rossellinis 16-jährigem Sohn, der einen Miniauftritt in einem der Filme absolviert, sollen sie sogar im Kunstunterricht zu sehen sein - wohl nicht als Bastelanleitung für Meerestiere, sondern als Beispiel für einen spielerischen, augenzwinkernden Umgang mit Sexualität. "Nur wenige Menschen interessieren sich für Tiere, aber die meisten Menschen interessieren sich für Sex", sagt Rossellini. Und wer würde nicht interessiert aufhorchen allein bei der Vorstellung, die Schauspielerin aus "Blue Velvet" drehe einen Film namens "Green Porno". Die Idee zu Umweltkurzfilmen fürs Internet und damit auch zu den Green Pornos stammt übrigens von Regisseur und Sundance-Gründer Robert Redford. Nun ist aus ihnen im Schirmer/Mosel Verlag ein Bilderbuch entstanden, dem eine DVD mit den Filmen beiliegt. "Als Geschichtenerzählerin ist Isabella zugleich ehrfürchtiges kleines Mädchen und majestätische Schönheit mit einem markerschütternden Lachen", hat Regisseur Guy Maddin einst über sie gesagt. Dem mag niemand widersprechen, der "Green Porno" gesehen hat. Nur einer großen Geschichtenerzählerin - wen wundert's, bei diesen Wurzeln? - gelingt es wohl, sich mit derart traumwandlerischer Sicherheit und Akribie Regenwürmern beim Sex zu widmen. Inhaltlich konzentriert auf das Wesentliche und formal aufs Schönste radikal und ungewöhnlich. Der Kindheitstraum von Isabella Rossellini ist wahr geworden.