Der Erfolgsautor ist ein bekennender Donaldist. Auf abendblatt.de spricht er über Probleme mit dem neuen Roman und die Verfilmung des “Schwarms“.

Köln. Ein kleiner Schritt für einen Menschen, ein Riesenschritt für die Menschheit, hieß es im Sommer 1969, als Neil Armstrong der erste Erdenbürger war, der seinen Fuß auf den Mond setzte.

Eine kleine Meldung, vor zehn, zwölf Jahren in "Bild der Wissenschaft" gelesen, über eine neue Energiequelle namens Helium-3, ein Edelgas, das sich prima in Fusionsreaktoren verarbeiten ließe, dummerweise aber kaum auf der Erde vorkommt, dafür aber auf dem Mond.

Und nun, im Herbst 2009: ein Science-Fiction-Thriller über Machtkämpfe auf dem Mond und der Erde im Jahr 2025. Ein 1304-Seiten-Brocken namens "Limit", der seit heute palettenweise auf den schmökerhungrigen Buchmarkt geworfen wird, um pünktlich zur Buchmessen-Schwemme in der Dan-Brown-Liga abzuräumen.

Das sind so die Dimensionen, mit denen man es zu tun bekommt, wenn man sich mit dem Besteller-Autor Frank Schätzing unterhält und sich von ihm auf hohem Niveau unterhalten lassen will. Wirklich weit darunter macht er es nicht mehr.

Warum auch? Der 52-Jährige Kölner bestimmt die Spielregeln und vermarktet sich und seine Print-Produkte nach allen Regeln der Kunst, die er bei seinem Kommunikationswissenschafts-Studium und in der Werbebranche gelernt hat. Wie man sich fühlt, so als Markenartikel mit 400 000 Exemplaren als Startauflage, bei denen es sicher nicht bleibt? "Gut! Ich bin ja ein alter Markenartikler." Breites Grinsen. Entwaffnend frank und frei, ist Frank Schätzing zu einem der erfolgreichsten Autoren in der schillernden Mainstream-Grauzone zwischen Spaßlektüre und Sachbuch geworden. Angesichts der Vorbestellungen wird er wohl auch von Anfang an in der "Spiegel"-Bestsellerliste dabei sein.

Nach einer klassischen Bestseller-Schmiede sieht Schätzings kleines Arbeits-Refugium in der Kölner Südstadt allerdings nicht aus: vierter Stock, enges Treppenhaus und dann nicht viel mehr als ein Büro mit einem Bücherregal, unter anderem mit einigen Exemplaren vom "Schwarm". Links davon ein Keyboard und einige Gitarren, zu denen Schätzing regelmäßig greift, denn "alle drei, vier Stunden muss ich etwas tun, um das Gehirn zu entkrampfen". Auf dem Boden neben dem Schreibtisch mit dem Laptop als wichtigstem Arbeitsinstrument und Zentralarchiv steht nicht etwa ein Aquarium voller explosionsgefährdeter Tierchen als Andenken an seinen Tiefsee-Thriller "Der Schwarm", sondern eine Dagobert-Duck-Figur - Schätzing ist bekennender Donaldist. Neben dem Rechner liegt die Filmmusik-LP von Stanley Kubricks Science-Fiction-Klassiker "2001", unter anderem mit den Sphärenklängen aus Ligetis "Requiem", Recherchematerial für die Kompositionen, an denen Schätzing für seine multimediale Lesereise im Frühjahr feilt.

Alles in allem macht dieses Büro einen ganz ähnlichen Eindruck: Das steht da nur so. Für die eigentliche Arbeit an "Limit" - drei Jahre Recherche, davon zwei Jahre Schreiben - setzte sich Schätzing gern und regelmäßig in die Cafés der Umgebung, um ungestört unter Leuten zu sein; eines ist gleich nebenan, dort wird er vom Personal begrüßt, als gehöre er zum Mobiliar. Der kleine Artikel über Helium-3 und seine Möglichkeiten, das sei "wie ein Urknall gewesen, eine Singularität an Potenzial". Die Erkenntnis, wie viel Arbeit mit der Romanwerdung dieses Potenzials verbunden war, ließ nicht lang auf sich warten. "Im letzten Jahr hab ich praktisch nichts anderes gemacht, meine Frau hat in Verbindung mit meiner Person nur noch von Sichtungen gesprochen."

Gut vorbereitet sein, sich tief in die Materie graben, das war bei "Limit" wie schon beim "Schwarm" das A und O. "Ich lese immens viel, führe Interviews mit Experten, und die Extrakte archiviere ich im Computer. Ich kann nur wiedergeben, was ich kapiert habe." Besonders freut es ihn, wenn vermeintlich dröge Wissenschaftler richtig Spaß am Desaster bekommen, weil er von ihnen wissen will, ob Köpfe wirklich so dekorativ wie im Film zerplatzen würden, sobald man den Raumanzug-Helm öffnet (tun sie nicht, sagt er), oder wie man ein Gebäude auf dem Mond möglichst spektakulär in sich zusammenfallen lassen kann (kann man, sagt er). "Dass ich ein Faible für unbekannte Räume und das Unerforschte habe, ich glaube, das hat sich im ,Schwarm' schon mitgeteilt. Ich wollte immer mal über den Weltraum schreiben."

Nachdem "Der Schwarm", nicht sein erstes Buch, erschienen war, hatte er "Limit" als nächstes Projekt angehen wollen. Als er noch längst nicht alle Informationen zusammenhatte und sich an die Arbeit machen konnte, durchlitt Schätzing aber eine Begegnung der bis dahin für ihn unbekannten Art: Es klemmte. Nach wochenlangen Annäherungsversuchen verweigerte die ansonsten so zuverlässig liebkosende Muse ihrem Schützling den Kuss. "Ich spürte, du kommst da nicht rein, weil ich plötzlich ein Riesengebirge vor mir aufragen sah. Es war das erste Mal für mich, dass ich ein Buch als Hindernis sah, das es zu überwinden galt. Das war entsetzlich, ich arbeitete gegen mich selbst."

Schätzings Umweg: Er machte ein paar Wochen lang nur Musik und schrieb danach einfach etwas ganz anderes, das Sachbuch "Nachrichten aus einem unbekannten Universum" - "als Lockerungsübung." "Als ich 2007 mit ,Limit' begann, war der Krampf weg." Der Countdown Richtung Mond begann. Nun ist das Buch da, die Vermarktungsmaschine kann loswalzen.

Bei der Beurteilung seiner Arbeit macht Schätzing in Sätzen, die oft mit "ich" beginnen, klare Ansagen. "Ich bin nicht so selbstbesoffen, mir eine literarische oder kulturelle Bedeutung erarbeiten zu wollen. Ich kreiere gerne und finde es nicht unbedingt lästig, wenn's nachher erfolgreich ist. Ich bin ein Unterhaltungsfaktor, der Märchenerzähler an der Ecke. Ich ruf einfach gern in die Runde, ich hab hier was, dann bleiben einige stehen, andere gehen weiter, und ich sitze da und quassle." Womit klar wäre: Was er macht, ist Unterhaltung. "Ich nehm keinen öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag wahr. Ich bin glücklich, wenn ich mir selbst die Welt erklären und das Buch schreiben kann, das ich persönlich gern lesen würde. Den Anspruch, meine Leser mit Wissen zu versorgen, hab ich nicht." Dafür hat er einen "inneren Film" in seinem Kopf, und der muss raus. "Das Kino hat meine Arbeit definitiv stärker beeinflusst als die Literatur. Gut möglich, dass ich Bücher schreibe, weil ich keine Filme drehen kann."

Er weiß: "Natürlich kann man in dem Genre das Rad nicht neu erfinden. Die Grundzüge der Geschichte sind aber 100-prozentige Schätzing-Ideen und Schätzing-Szenarios."

Die Idee, den "Schwarm" zu verfilmen, hegt dessen Autor schon seit Langem. Hier wiederum machte zunächst der Drehbuchautoren-Streik in Hollywood und danach die Wirtschaftskrise einen Strich durch die Rechnung. Es geht nur langsam voran. Ein Blockbuster-Regisseur sei an der Angel, Uma Thurman als Koproduzentin im Boot, ein Drehbuch, die dritte Fassung, sei wasserdicht und "top". Nun könne es bald losgehen, die Finanzierungsgespräche liefen.

So viel Spaß die Arbeit an "Limit" dem "Triebarbeiter" und Bescheidwisser Schätzing auch gemacht haben mag, "es war zum Schluss auch ganz schön knirsch" - da meldet sich das Unterbewusste des Donaldisten wieder, mit einem klassischen "Erikativ", benannt nach der legendären Comic-Übersetzerin Erika Fuchs.

Natürlich wären positive Kritiken über "Limit" angenehmer zu lesen als maulende - in diesen Tagen dürfte eine Sturmflut an Meinungen losbrechen. Andererseits gibt es für ihn nur einen Maßstab: "Wenn es meiner Frau gefällt", sie ist stets die erste Leserin des noch ofenwarmen Buch-Rohlings, "dann war's ein Erfolg." Mit "Limit" war sie offenbar zufrieden.

Bleibt nur noch die Frage nach dem Zweitwichtigsten nach dem Erfolg, die nach dem Kontostand. "Meine Frau weiß es besser", kontert Schätzing auch hier lässig, "ich einigermaßen genau. Fest steht, es ist überschaubar. Durchaus nett, aber ich hege die Hoffnung, hundert Jahre alt zu werden. Wenn ich jetzt nie wieder arbeiten würde, müsste ich auf einem ziemlich sparsamen Level vergreisen."

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