Die Theaterfrau pendelt zwischen Hamburg und der Elfenbeinküste. Die Begegnungen prägen ihre Stücke.

Hamburg. Monika Gintersdorfer liebt Licht und Sonne. Sie weist den Weg zur Alster, will den strahlenden Frühherbsttag vor der Probe genießen. Die Richtung anzugeben ist die Theaterregisseurin gewohnt. Derzeit arbeitet sie an zwei Baustellen. "Ziemlich stressig", seufzt sie, nippt aber seelenruhig am Latte Macchiato. Sie probiert für die Box am Deutschen Theater für ein Projekt mit ihrem ivorischen Lieblingsperformer Franck Edmond Yao. Der Tänzer und Choreograf ist auch in "très très fort" ihr Protagonist, einer Politshow über Überlebensstrategien in der Dauerkrise an der Elfenbeinküste. Heute ist Premiere auf Kampnagel.

Als Grenzgängerin zwischen Tanz, Theater und bildender Kunst und Projekten zwischen der westafrikanischen und europäischen Kultur hat sich Gintersdorfer Flexibilität, Improvisationsgabe und Pragmatismus angeeignet. Bereits in Hamburg, wo sie die meiste Zeit des Jahres lebt, trainierte sie ihre "offenen Arbeitsmethoden" mit ihrer aktionistischen Gruppe "Rekolonisation". Lachend zeigt sie zur Wiese zwischen den Alsterbrücken. "Das war unser Treffpunkt. Von hier aus haben wir spontane 'Eroberungsaktionen' in die Stadt gestartet, die wir ohne Institutionen, ohne Geld, ohne Uhrzeit gemacht haben." 2004 hatte sie nach Inszenierungen am Schauspielhaus ("Radio Noir"), den Münchner Kammerspielen und Salzburger Festspielen eine Pause eingelegt. Gintersdorfer wollte ihre Projekte autonom und unabhängig durchziehen. Sie fand über die Begegnung mit der ivorischen Klubszene und deren Tanzstil "Couper Decaler" (einer Art französischer Rap) zu ihrem Erzähltheater aus Bewegung, Gestik und Text. Mit ivorischen und deutschen Akteuren hat sie ihre Stücke für die Straße, die Immigranten-Viertel, aber auch Stadttheater entwickelt und gespielt, gastierte an der Berliner Volksbühne, im Theater Aachen und auf Kampnagel.

Gintersdorfer hat mit Fantasie und Flexibilität den Spagat zwischen Stadttheater und freier Szene, zwischen Hamburg und Abidjan geschafft. Dort sind die Bedingungen allerdings andere: "Ich komme zwar jetzt gut zurecht, aber man braucht mehr Zeit für die langen Wege und in der Regenzeit kann schon mal eine Probe ins Wasser fallen."

Auch zwischen den künstlerischen Auffassungen liegen Kontinente. So macht sich Franck Edmond Yao in einem früheren gemeinsamen Stück "Othello, c'est qui?" über die europäische Theaterpraxis des präzisen Wiederholens lustig: "Das nenn' ich eine Roboter-Kassetten-Methode."

Allzu penibel deutsch darf Gintersdorfer den ivorischen Spielern nicht kommen, das gilt auch für Pünktlichkeit: "Ich muss es oft ertragen, etwas zu zeigen, das nicht fünf Wochen lang geprobt ist." Doch letztlich entspricht dies ihrer Arbeitsweise. "Dann können zwar Dinge passieren, die so nicht geplant waren, dafür ergeben sich andere, die viel besser sind." Die perfekte Aufführung gibt es für sie sowieso nicht. Was zählt: "Die Stärke unserer Arbeit liegt in der Offenheit, ich muss der Kompetenz meiner Performer vertrauen und sie mir."

très très fort heute, 20.30, Kampnagel, Jarrestr. 20, Karten: T. 27 09 49 49