Der erste Fall für Sebastian Fink, jüngster Hauptkommissar der Hamburger Kripo: Volker Albers über einen Krimi, der zurückführt in eine Zeit, in der die Hakenkreuz-Fahnen wehen und die Swing-Jugend tanzt.

Schuld ist eigentlich der Vater. Dessen Satz "Zeit fürs Lesen haben nur die Leute, die zu viel Zeit haben" war für den jungen Friedrich Dönhoff eine psychologische Mauer, die es zu durchbrechen galt. Schwer genug, aber eine Aufgabe, der man sich stellen muss in der Pubertät, will man das eigene Selbst finden und jenen Ort, an dem es sich verwirklichen kann.

Früh begann Friedrich Dönhoff, 1967 in Hamburg geboren, Geschichten zu erfinden, wobei auch seine Kindheit in Kenia, wohin es den Vater als Entwicklungshelfer verschlagen hatte, eine Rolle spielte. Dort, in Afrika nämlich, sah er die Armut, überall war sie präsent. Nicht selten ging es deshalb in den Geschichten, die der junge Friedrich sich ausdachte, kriminalistisch zu.

Am Anfang aber stand das Sachbuch - Dönhoff schrieb die Lebensgeschichte des Hamburger Hafenarbeiters und Kommunisten Tönnies Hellmann. Die Klippe Belletristik zu umschiffen schien noch zu riskant, schwebte doch über ihr die väterliche Gewitterwolke, die sich zu entladen drohte. Das Studium der Geschichte und Politik hatte Dönhoff abgebrochen, an der Filmhochschule in München lernte er das Drehbuchschreiben. Und hatte seine Passion gefunden - fast. Lange Gespräche mit seiner Großtante in deren Villa in Blankenese gaben ihm Stoff für das Schreiben. "Die Welt ist so, wie man sie sieht" war das überaus erfolgreiche Ergebnis jener Tage und Abende, die er mit Marion Gräfin Dönhoff verbrachte, der im Jahr 2002 gestorbenen Herausgeberin der Wochenzeitschrift "Die Zeit". Ein Buch mit Erinnerungen an jene Frau, die ihn immer fasziniert hat mit ihrer schier unermüdlichen Energie. Ein Vorbild, wie er sie nennt. Doch Sachbücher allein waren ihm nicht mehr genug.

Irgendwann war es so weit, dass Dönhoff die Mauer in sich durchbrechen konnte. "Endlich Kriminalromane schreiben zu können war wie eine Befreiung", erzählt er rückblickend. Für die Kriminalgeschichten war ihm auch der Zivildienst in Mümmelmannsberg hilfreich - wie in Kenia sah er sich mit Not und Armut konfrontiert, lernte eine Welt konträrer Milieus kennen, in denen sich ein komplexes Feld sozialer und psychischer Spannungen auftat.

Diesem Nährboden entstieg alsbald ein gewisser Sebastian Fink, mit 34 Jahren der jüngste Hauptkommissar der Hamburger Kripo. Seine Ermittlungen führen in eine Zeit, in der die Hakenkreuz-Fahnen bereits wehten, die Hamburger Swing-Jugend aber noch ausgelassen tanzte nach einem Song von Louis Armstrong: dem Savoy Blues. Ein Tanz auf dem Vulkan ...

"Savoy Blues" hat Dönhoff denn auch seinen ersten Kriminalroman genannt. Historisches Interesse und die Leidenschaft für alles Kriminalistische paaren sich darin aufs Schönste.

Der erste Fall für Sebastian Fink, ein Single, der mit seiner Freundin Anna und deren Sohn Leo zusammenlebt, scheint recht unspektakulär zu sein. Während auch der aufstrebende Kommissar den Armstrong-Song im Ohr hat (in der zeitgemäßen Version des DJ Jack, eines schon betagten grauhaarigen Mannes, tönt er aus allen Cafés und Bars in Hamburgs Szenevierteln), muss er den Mord an einem pensionierten Postbeamten aufklären. Wer könnte ein Interesse daran haben, diesen alten Mann ins Jenseits zu befördern? Die Sache entwickelt sich komplizierter, als Fink gehofft hat - schon treiben ihn Befürchtungen um, er könnte grandios scheitern an seinem ersten Fall als Hauptkommissar. Schließlich wird er von den neuen Kollegen argwöhnisch beobachtet.

So recht kommt Sebastian Fink in seinen Recherchen nicht weiter. Als aber ein gewisser Joachim Menzel ermordet in seinem Hamburger Hotel aufgefunden wird, beginnt Fink zu ahnen, dass dieser Fall tief in die Vergangenheit führen wird. Denn Menzel ist eben jener DJ Jack, der auf seine alten Tage mit Armstrongs "Savoy Blues" ungeahnte Erfolge feierte. Doch was verbindet den toten Oldie-DJ mit dem ermordeten Postboten? Als Leo, Annas Sohn, entführt wird, spitzt sich die Situation dramatisch zu - und Sebastian Fink weiß, dass er mit seinen Ermittlungen auf dem richtigen Weg ist.

Es ist eine Geschichte mörderischer Rache, deren Wurzeln in der dunklen deutschen Geschichte liegen. Und es ist ein erfolgreicher, von der Kritik hoch gelobter Kriminalroman geworden, mit dem Dönhoff im Jahr 2008 in jenem Genre debütiert hat, das ihm schon so lange am Herzen lag - eine Art Befreiungsschlag.

Doch imperative Leitsätze aus der Kindheit haben eine lange Lebensdauer. "Noch heute habe ich manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich einen Roman aufschlage", erzählt Dönhoff. Trotzdem schreibt er weiter, Kriminalromane. Der zweite Fall für Fink erscheint im Frühjahr 2010.

Friedrich Dönhoff, geboren 1967 in Hamburg, ist in Kenia aufgewachsen. Nach seinem Studium (Geschichte, Politik) und der Ausbildung zum Drehbuchautor hat er sich als Verfasser von Biografien einen Namen gemacht. Er lebt in Hamburg. Der zweite Fall für Sebastian Fink erscheint im kommenden Sommer unter dem Titel "Der englische Tänzer".