Mehr als 150 internationale Newcomer und Geheimtipps rocken ab heute auf dem Kiez. Mit dabei: Saint Lu, eine fantastische Stimme aus Österreich.

Hamburg. So legendär Jimi Hendrix auch ist, ein begnadeter Sänger war der Revolutionär des Gitarrenspiels nicht gerade. Saint Lu, eine 25 Jahre alte gebürtige Österreicherin, lässt trotzdem nichts auf ihr Idol kommen: "Mir ist es wichtig, dass die Stimme den Inhalt des Songs erzählt. Jimi Hendrix hat das fantastisch draufgehabt."

Wer Saint Lu gegenübersitzt, wird bestätigen, dass der Charakter einer Stimme und nicht ihre perfekte Beherrschung das Wichtigste ist, um die Botschaft einer Sängerin zu transportieren. Wenn Saint Lu spricht, dann schnarrt sie wie eine tief gestimmte Gitarrensaite, was ihr zusammen mit ihrem attraktiven Äußeren zu einer echten "Foxy Lady" im Sinne des Hendrix-Songs macht. Sobald sie aber ein Mikro in die Hand nimmt, verändert sie sich total. Das aggressive Röhren einer Tina Turner oder Janis Joplin beherrscht sie ebenso wie den morphinösen Slang einer Amy Winehouse oder das hohe Quengeln einer Anastacia. Oder eines Robert Plant. Denn Saint Lu, die ihren wahren Namen nicht preisgibt, wurde früh durch klassischen Rock geprägt, dem großformatigen Getöse der Led-Zeppelin-Ära, als Gesang Sex-Ersatz für die Teenager der 60er- und 70er-Jahre war. Diesen Geist transportiert auch Saint Lus selbst betiteltes Debütalbum, welches am 30. Oktober erscheinen wird und und durchaus starkes Hitpotenzial besitzt.

Allerdings waren es nicht Sex-, Sauf- und Drogen-Eskapaden, die Saint Lus Stimme formten, sondern - skurril genug - das Leben auf dem Bauernhof. Aufgewachsen in einem österreichischen Dorf bei Wels, konnte sie "jeden Tag herumschreien und singen, was das Zeug hält". Es störte ja niemanden. Mit acht Jahren entdeckt sie die Rock-Plattensammlung ihrer älteren Schwestern, gründet später erste Bands und probiert alles aus - "von Jazz bis NuMetal" - nur um am Ende wieder beim klassischen Rock zu landen. Mit 18 zieht sie als Au-pair-Mädchen nach Austin/Texas, später nach New York und erweitert ihren persönlichen und künstlerischen Horizont, um anschließend zurück in Österreich kurz eine Schauspielschule zu besuchen. Doch dieses Fach lag ihr nicht, und so tat die heute in Berlin lebende Sängerin, was weltweit Hunderttausende Nachwuchsmusiker machen: Demos aufnehmen, Plattenfirmen belästigen.

Ihre Erfahrungen verarbeitet sie später im Song "All I Ever Wanted". Dort schildert sie den "großen Traum, auf den man wartet. Schaffe ich es, längere Zeit von der Musik zu leben, oder ist das nur ein Trugbild?" Von ihrer Musik kann sie noch nicht leben, aber für ihre Musik. Produzent Patrik Majer (Wir Sind Helden) bekam vor einem Jahr ein Demo von Saint Lu, lud sie nach Berlin ein und trommelte namhafte Musiker zusammen, um ihrer Stimme ein erdiges Fundament zu geben. Gitarrist Peter Weihe (Eric Clapton), Schlagzeuger Marlon Browden (Norah Jones) und weitere Virtuosen sorgen in Liedern wie "High Time!" für altbewährten Sound, der nicht von ungefähr an die Jimi Hendrix Experience erinnert.

Wenn Saint Lu im Rahmen des Reeperbahn-Festivals am Freitag (20.30 Uhr) im Grünspan auftritt, ist sie nur ein kleiner Geheimtipp unter 150 weiteren Bands, die unter dem Motto "New International Music" auf dem Kiez zusammenströmen. Sie hat ein Album, einen Plattenvertrag bei Warner, eine fantastische Stimme - sie hat alles, um ein Star zu werden. Saint Lu kümmert das kaum, sie will nur noch auf die Bühne: "Ich hatte schon ein paar Auftritte, und eins kann ich sagen: Ich will mehr davon!"

Reeperbahn-Festival 2009 Do 24.9. bis Sa 26.9., 1- bis 3-Tages-Tickets 28,- bis 57,- an den Tageskassen, Internet: www.reeperbahnfestival.com ; www.abendblatt.de/reeperbahnfestival