Drama: Böseckendorf - Die Nacht, in der ein Dorf verschwand.

20.15 Uhr Sat.1

Ich bin keine begeisterte Erzählerin", sagt Anna Loos. Die 38-Jährige meint damit vor allem ihre Lust, über ihre Flucht aus der DDR als 17-Jährige im Jahr 1988 zu sprechen. Sängerin habe sie damals werden wollen, an die Schauspielerei habe sie noch gar nicht gedacht. Der Weg führte sie damals vom heimischen Brandenburg an der Havel über Prag nach Ungarn, wo auch damals schon Löcher im Eisernen Vorhang waren. Ihre Schwester, die Eltern und das Motorrad, eine Simson S 51, ließ sie zurück, die Freunde zu Hause hatte sie in ihre Pläne nicht eingeweiht. "Ich habe es vergleichsweise leicht gehabt", berichtet Anna Loos, die mit dem Kollegen Jan Josef Liefers verheiratet ist und zwei Kinder hat. "Denn ich hatte mir in der DDR noch nichts aufgebaut." Den Menschen im Sat.1-Drama "Böseckendorf - Die Nacht, in der ein Dorf verschwand", das nach einer wahren Begebenheit entstand, erging es deutlich anders. Sie entschlossen sich zum Teil nur schweren Herzens zu dem illegalen Grenzübertritt in der Nacht zum 3. Oktober 1961, nur wenige Wochen nach dem Mauerbau. Das thüringische Böseckendorf, ein von den Sperranlagen fast völlig umschlossener Ort, ging in diesen nächtlichen Stunden in die Geschichte ein: 53 Menschen verschwanden von Ost nach West und sorgten damit für die größte Massenflucht über die ehemalige innerdeutsche Grenze.

Anna Loos (sechs Tage später im ZDF in "Lilys Geheimnis" zu sehen) spielt Tonia Lantz, die Frau von Bürgermeister Manni (Thure Riefenstein), einem überzeugten Kommunisten, der auch zwölf Jahre nach der Republikgründung noch an die kommunistischen Ideale glaubt. Doch da macht Manni eine Entdeckung, die ihn zu schnellem Handeln zwingt. Bei der Kreisleitung in Erfurt erspäht er ein Papier, das die Evakuierung seines Ortes vorsieht. Nicht linientreue Bürger aus grenznahem Gebiet sollen bei der "Aktion Kornblume" umgesiedelt werden. Stichtag ist der 7. Oktober, der Jahrestag der Republikgründung. Unter dem Vorwand, an den Feierlichkeiten in Erfurt teilnehmen zu dürfen, sollen die Bewohner Böseckendorfs im Bus in die Stadt gefahren und von dort zwangsweise woanders hin verfrachtet werden. Sat.1 zeigt im Anschluss an das Drama die Dokumentation über Böseckendorf. "Die Einwohner von Böseckendorf haben Knall auf Fall ihre Gehöfte verlassen", erzählt Friedrich Pfeiffer, der von 1958 bis 1962 als Grenzsoldat im Ort diente. Der Alarm sei ausgelöst worden, als die Grenzposten bei einer Tanzveranstaltung gewesen seien. Karl-Heinz Rhode war noch ein Jugendlicher, als er von den Kühen nach Hause kam. Seine Mutter sagte ihm nur: "Zieh dir noch was über, möglichst zwei oder drei Sachen. Heute Abend hauen wir ab."