16 000 Zuschauer kamen zu den Lesungen, Fatih Akin tanzte, und im nächsten Jahr soll es weitergehen.

Hamburg. Wenn ein Festival mehr sein soll als die bloße Summe seiner Lesungen und Gaststars, dann darf man das am Wochenende zu Ende gegangene erste Hamburger Harbour Front Literaturfestival getrost als gelungen verbuchen. Nicht nur, weil rund 16 000 Zuschauer innerhalb von elf Tagen mehr als 100 Autoren anhörten, nicht nur, weil es gelang, so vollkommen verschiedene Schriftsteller wie den jungenhaft charmanten Benedict Wells mit dem weltpolitisch gewandten Leon de Winter oder einen ukrainischen Macht-Club-Abend und ein Verlegergespräch mit Siegfried Lenz in einem Programm zu vereinbaren, sondern weil sich tatsächlich ein Festivalgefühl einstellte.

So wie in der Bar der "Cap San Diego", wo sich Autoren, Moderatoren und Zuschauer zum Feierabendbier trafen und der Barkeeper im Fünfminutentakt die drei Snackteller-Varianten erklären musste. Oder im Uebel & Gefährlich am späten Freitagabend, als Fatih Akin - frisch vom Filmfest Toronto heimgekehrt - mitsamt seinen Hauptdarstellern bei Jasmin Ramadans "Soul Kitchen"-Lesung auflief. Selten wohl ist die Lesung einer Debütantin so gestürmt worden: Im voll besetzten Bunkerklub jubelten fast 400 junge Zuschauer (darunter halb Ottensen), als Schauspieler Philipp Baltus auf der Bühne Akins Altonaer Digger-Alder-Dialekt fabelhaft und urkomisch parodierte und der Regisseur selbst zu später Stunde Schnaps über die Tanzfläche balancierte.

Die Seele des Festivals aber zeigte sich auch und gerade in den kleinen Unperfektheiten: Als ein Bandscheibenvorfall den irischen Romancier John Banville daran hinderte, an seiner Lesung teilzunehmen, unterhielt sich Moderator Daniel Beskos auf dem Podium kurzerhand mit Ed Victor - Banvilles so mächtigem wie höchst unterhaltsamem Literaturagenten. Und als das Schiff, das am Sonnabend auf den Spuren von James Krüss nach Helgoland schippern sollte, mit Motorschaden umkehren musste, gab es auf einer Cuxhavener Restaurantterrasse nicht nur einen Nachschlag von Till Demtrøders Krüss-Lesung - sondern spontan auch Fischbrötchen für alle. So werden Pannen zum Erlebnis.

Auch die Veranstalter zogen ein positives Fazit: "Alle Großveranstaltungen waren ausverkauft, wir gehen von einer Neuauflage im nächsten Jahr aus", sagte Mitorganisator Peter Lohmann. Gute Aussichten also für Hamburgs Literaturfans. Die Szene indes sieht sich schon früher wieder: In drei Wochen startet die Frankfurter Buchmesse.