Das Fernsehformat der Late-Night-Show ist das Rad, das man nicht neu erfinden kann. Es ist spät, die Nachrichten sind durch, die andern zeigen Krimis oder Serien, und einer sitzt da noch hinter seinem Schreibtisch und redet.

Am besten, er hat einen Kübel mit Spott dabei, den er über die Akteure des Tagesgeschehens ausgießt, er redet sich in Rage oder um Kopf und Kragen, dann schauen die Leute zu. In Amerika sind Late-Night-Shows der einzige Grund, das Gerät überhaupt noch einzuschalten. Deutschland, seit Jahren auf gutem Weg zur totalen Fernsehentbehrlichkeit, hat immerhin Harald Schmidt. Heute kommt unser einziger und schon deshalb populärster Late-Night-Talker auf den Bildschirm zurück - allein. Schmidt, 52, gelernter Orgelspieler und Theaterschauspieler, ist wie die Band, die man so gern mag, dass man ihr auch mal eine schlechte Platte verzeiht. Das letzte Album "Schmidt & Pocher" war echt furchtbar, aber das wusste Schmidt selber. Seine Fans sind wahnsinnig froh, dass er diesen Comedy-Kasper rausgeschmissen hat, obwohl der ja auch irgendwie begabt ist, nur passten die beiden halt nicht zusammen. Schmidt hat sich lang genug vor der Kamera zum Affen gemacht. Höchste Zeit, dass er sich auf seine Kernkompetenz - das Wort und die anarchische Zuspitzung desselben - besinnt. Den Zuschauern der neuen, "Harald Schmidt" genannten Show vespricht deren Produzent Fred Kogel deshalb auch "intelligente Unterhaltung und ein satirisches Korrektiv, jenseits von Comedy-Wegwerf-Gags".

Damit der Durchlauferhitzer seines die Wirklichkeit bis zur zündenden Pointe hochkochenden Verstands nicht ständig glühen muss, macht Harald Schmidt sich in seiner Show nur noch einmal pro Woche über die Absurditäten der Politik lustig. Außerdem sind uns Themen aus der weiten Welt der Kultur versprochen, wobei Schmidt angekündigt hat, dass er beim Promozirkus des Dichters X oder des Sängers Y um ihre jeweiligen neuen Hervorbringungen nicht mehr mitmachen will. Dass Schmidt den Bildungsauftrag der ARD als "subversiven Akt" begreift, weckt Vorfreude auf geistreichen Umgang mit dem, was man weiß und was man wissen sollte. Falls Sie noch nicht dazu gekommen sein sollten, die Leitartikel der großen Zeitungen der letzten Tage zu lesen, machen Sie das bitte noch, bevor Sie heute Abend Schmidt gucken. Das erwartet er nämlich von Ihnen. Damit Sie zu Hause vor den Fernsehgeräten auch was davon haben, wenn Dirty Harry Gericht hält über die Mächtigen dieser Welt.

Harald Schmidt live in Hamburg mit "Der Prinz von Dänemark - Hamlet-Musical von und mit Harald Schmidt", Gastspiel des Staatstheaters Stuttgart, 3./4. Oktober, Schauspielhaus, 20 bzw. 18 Uhr, Karten 24 87 13