Wir haben Anlass, über die Bedeutung des Wortes Rausch neu nachzudenken. Gegeben hat diesen Anlass ein Sportsmensch namens Waldemar Hartmann, den Fußballfans und den einschlägig interessierten Fernsehzuschauern als Waldi wohlbekannt. Der hat im “Playboy“ erklärt: “Der Mensch hat die Pflicht zum Rausch.“

Wahrigs Deutsches Wörterbuch nennt zwei Bedeutungen, nämlich "1. meist mit Traurigkeit od. Heiterkeit verbundene Benebelung der Sinne als Folge von Alkoholgenuss" und "2. überwältigendes Glücksgefühl, überwältigende Begeisterung". Hartmanns Bemerkung fällt eindeutig unter 1.; man weiß ja, spätestens seit seinem Disput mit dem weiland Bundestrainer Rudi Völler, dass er die Dauer eines Fußballspiels mit drei Weißbieren bemisst. Es steckt denn auch eine tiefere Bedeutung hinter Hartmanns Diktum: Man lerne, meint Waldi, die Menschen erst richtig kennen, wenn man sie im Rausch erlebe. "Unter Alkoholeinfluss können lammfromme Menschen zu Tieren werden und umgekehrt."

So neu ist das ja nicht. "... wer sich schewt, ein Rausch zu han, der will nicht, dass man jhn sol kennen", hat ein Joh. Mich. Moscherosch schon 1643 geschrieben. Und die Aufforderung zu ausgiebigem Alkoholgenuss an Oktoberfestbesucher ist, vorsichtig formuliert, müßig.

Aber womöglich könnte Waldis Weisheit ja dazu dienen, ein bisschen mehr Schwung in den allseits als langweilig erkannten Wahlkampf zu bringen, mindestens in die wegen ihrer Gleichförmigkeit und Phrasendrescherei ermüdenden Polit-Talkrunden im Fernsehen. Deren Teilnehmer predigen zwar gelegentlich Wein, trinken während der Sendung aber offenkundig Wasser. Vielleicht sollten die Veranstalter ihnen wenigstens mal ein Bier hinstellen oder auch einen Schnaps in Griffweite bereithalten, damit der Zuschauer die Herrschaften endlich mal richtig kennenlernen kann. Und damit diese - auch das wäre ganz im Sinn von Waldis Weckruf - lernen, "wie sie damit (mit einem Rausch nämlich) umgehen sollen". Geschähe dies in aller Öffentlichkeit - es könnte für so manchen Zuschauer lehrreich sein.

Waldi weiß natürlich längst, wie er sowohl mit dem Weißbier als auch mit dem Fernsehen umgehen soll. Und er hat auch keine Angst davor, im Rausch zum Tier zu werden. Er selber findet, er werde unter Alkoholeinfluss zum "Teddybär".