Zugegeben, man muss schon einen sehr großzügigen Geschichtsbegriff mitbringen, um die französische Revolution als “deutsche Epoche“ anzusehen und eine direkte Beziehung zum Mauerfall, der 200 Jahre später in Berlin stattfand.

Hamburg. Denn genau so begründen die Initiatoren dieses speziellen Konzertabends "Wendezeiten 1789/1989" im Rahmen des Schleswig-Holstein Musik Festivals kühn ihr Konzept. Weil dieses Konzept es aber ermöglichte, an den beiden Abenden auf Kampnagel nebeneinander Spitzenensembles für alte und neue Musik zu hören und darüber hinaus ein multimediales Mosaik historischer Momentaufnahmen zu erleben - dann bitte sehr.

Den Soundtrack zur Revolution lieferte die Akademie für Alte Musik Berlin mit Sinfonien von Franz Ignaz Beck, C.P.E. Bach und Joseph Haydn. Die kollektive Energie des Ensembles machte ein ums andere Mal staunen; das Schmettern von Naturhörnern und Cembalo verband mit flinken, in langsamen Sätzen wunderbar affektvollen Streichern.

Den Gegenpol bildete das Kammerensemble Neue Musik Berlin, das in unterschiedlichen Besetzungen antrat. Am eindrücklichsten geriet ihm Lachenmanns Zweites Streichquartett - eine geisterhafte Erkundung unterschiedlicher, zumeist geräuschelnder Spieltechniken.

Als verbindendes Element schaltet sich Rezitator Udo Samel immer wieder mit dem Vortrag von Publikationen deutscher Revolutionäre und Reden führender Intellektueller im Umfeld der Wende ein. So schuf er auch die Brücke zu den Filminstallationen - wie der des Fotografen Klaus Elle, der seine DDR-Ausreise in Bild und Tagebuch festhielt. Dem Publikum blieb so nur die Qual der Wahl zwischen mehreren parallel stattfindenden Programmpunkten in den unterschiedlichen Kampnagel-Sälen. Aber das war nun wirklich ein Luxusproblem.