Axel Zwingenberger, Vince Weber und ihre Freunde spielen Boogie und Blues. Diesmal mit einem Stargast.

Hamburg. "Hallo, ist Angela Merkel da?", ruft Chris Jagger in die leere Fabrik in Altona, als der dort Axel Zwingenberger zu einem ersten Soundcheck trifft. Jagger trägt ein helles Jackett und ein T-Shirt mit George Washington im Stil eines Bankräubers - mit einem Tuch bedeckt der Präsident sein Gesicht. "Get Money", steht darunter. Jagger trägt an diesem Nachmittag den Rock 'n' Roll in die leere Fabrik - und am Sonnabend auf die Bühne.

Jagger als Stargast in der Fabrik? Um es frei rauszusagen: Ja, tatsächlich. Chris Jagger ist der vier Jahre jüngere Bruder der Rolling-Stones-Ikone Mick. Man erkennt es an seinem Wortwitz, am Gang, am Gesicht. Aber man sollte nicht in Versuchung kommen, in Chris Jagger die Spuren seines Bruders Mick zu suchen. "Jeder lebt sein eigenes Leben - ich in England und er in Frankreich", sagt Mick. Auch ihre musikalischen Lebenswelten sind Meilen entfernt. Während Mick Stadien füllt, spielt Chris meist in Klubs und Bars vor ein paar Hundert Zuschauern. "Aber das gibt mir Freiheit", sagt Chris Jagger. "Ich kann spielen wie und was ich will. Ich kann improvisieren. Bei Mick will das Publikum irgendwann einfach nur noch 'Satisfaction' hören."

Frei improvisieren wird Chris Jagger auch am Sonnabend.

Denn wenn zwei Musiker den Blues haben, geht alles ganz einfach: ein kurzes Shakehands, ein flüchtiges "Wie geht's?" und dann - one, two, three - sind sie auch schon mittendrin in der Session. So war es, als sich die Boogie-Woogie-Legende Axel Zwingenberger und der Sänger und Gitarrist Chris Jagger das erste Mal in Wien getroffen haben - gemeinsam haben sie im Wohnzimmer von Zwingenberger gejammt. Und so wird es auch bei der "Hamburg Boogie Woogie Connection" sein. Nur werden Zwingenberger und Jagger bei ihrem Wiedersehen in der Fabrik nicht allein sein. Wie immer wird der Urvater der Veranstaltung am Piano sitzen - Vince Weber, der schon mit 16 Jahren als Pianist durch die Hafenkneipen zog.

Und wie in jedem Jahr seit 1988 sind internationale Gäste zum Gipfeltreffen der Tastenvirtuosen eingeladen. Unter ihnen Big John Carter aus England, die "Piano Brothers" Heinz und Marcel Brunner aus der Schweiz und der junge Däne Lasse Jensen. Obwohl noch keine 20 Jahre alt, ist er schon bei einigen renommierten Boogie-Festivals in Europa aufgetreten.

Seit dem 8. August 1988 rauscht die Boogie-Woogie-Welle einmal im Jahr durch die Fabrik. Und seitdem findet das Konzert auch immer am 8.8. statt. Das ist kein Zufall: 88 Tasten hat das Piano. Und "Eight-To-The-Bar" ist der bekannte Boogie-Rhythmus. Acht Schläge pro Takt.

Doch wer am Sonnabend die Takte zählt, wird es schwer haben, wenn acht Pianogrößen im Mezzoforte mit den Fingern über die beiden Flügel flitzen - erst mal nacheinander natürlich. Aber am Ende auch in einer gemeinsamen Session.

"Es wird eine Tastenschlacht unter Freunden", verspricht Axel Zwingenberger, den britische Musikkritiker schon als "Boogiemeister of the World" betitelten. Sogar der große Lionel Hampton lud Zwingenberger zu einer Europatournee und zu Aufnahmen ins Studio ein. Die "Boogie Woogie Connection" ist auch immer eine Huldigung der großen Legenden wie Robert Shaw, Pete Johnson und Big Joe Turner. Wenn Axel Zwingenberger, Chris Jagger und Co. die Lieder über verlorene Lieben, durchzechte Nächte und schuftende Arbeiter singen, klingen die Stimmen dieser Legenden immer mit.

Wie der Blues ist Boogie Woogie verrucht, wild und ein bisschen schmutzig. Das war schon damals so, als die ersten Boogie-Woogie-Pianisten in Texas von Holzfällerkneipe zu Holzfällerkneipe zogen. Im Boogie swingt der Genuss und die Sünde, die Unschuld genauso wie das Verderben. Das müssen auch schon die Jacksons gewusst haben, als sie den Song "Blame it on the Boogie" populär machten. "Denn der Boogieman ist ja ein Synonym für den Teufel", erklärt Zwingenberger.

Teuflisch also wird es werden in der Fabrik. Nur zu! Selten freut man sich so sehr auf den Belzebub.Chris Jagger, Axel Zwingenberger und Vince Weber bei einer ersten Jamsession in der Fabrik. Am Sonnabend stoßen weitere Pianogrößen wie Big John Carter und Gottfried Böttger dazu. Um 21 Uhr beginnt die "Boogie Woogie Connection". Der Eintritt kostet 20 Euro.