Frederik Paulsen präsentiert auf Föhr seine Gemäldesammlung: Munch, Beckmann, Liebermann und andere. Der Museumsbau wird nächste Woche eröffnet.

Alkersum/Föhr. Grethjen Hayen muss eine resolute Person gewesen sein. "Nee", soll die Wirtin im Friesendorf Alkersum auf Föhr kategorisch abgewinkt haben, "nee, wi hebb'n eenmol en Maler hat, nie wedder wüll'n wi en Maler hebb'n." Der in norddeutschen und Berliner Sammelkreisen beliebte, aber in finanziellen Dingen offenbar nicht ganz so verlässliche Landschaftsmaler Jacob Alberts hatte nach seinem Aufenthalt in ihrem Insel-Gasthof, Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des beginnenden 20. Jahrhunderts, einige Ausstände hinterlassen. Seither wusste Grethjen Hayen, was man in Alkersum von Künstlern zu halten hatte.

Sie konnte ja nicht ahnen, dass es ausgerechnet die Schönheit und Relevanz der von ihnen geschaffenen Kunstwerke sein würden, die rund 100 Jahre später dafür sorgen sollten, dass nicht nur Grethjens Gasthof in neuem Glanz erstrahlt, sondern sich ein ganzes Museum daran anschließen wird: Am Freitag kommender Woche eröffnet in Alkersum auf Föhr das Museum Kunst der Westküste.

Nach knapp drei Jahren Bauzeit, zeitweise kritisch beäugt von der betroffenen Gemeinde, fügt sich das von Architekt Gregor Sunder-Plassmann realisierte Gebäude-Ensemble nun durchaus behutsam in die friesisch geprägte Dorfarchitektur. Es ist gelungen, die verschlafene Idylle des Ortes mit einem modernen Anspruch zu verbinden; wo strenge kubische Gänge die inseltypische Bauweise brechen, nehmen teils verspiegelte Außenfassaden die Verspieltheit des zum Museum und zum Gasthof gehörenden Friesengartens auf und treten so in einen Dialog mit der ländlichen Umgebung.

Alkersum, eine Viertelstunde vom Inselhauptstädtchen Wyk entfernt, ist das Heimatdorf der Unternehmerfamilie Paulsen. Erst vor rund zehn Jahren hat Frederik Paulsen, dessen gleichnamiger Vater, Gründer des Pharma-Konzerns Ferring, sich zeitlebens um die Förderung und Bewahrung der friesischen Sprache bemühte, mit dem systematischen Sammeln nordischer Kunst begonnen. Er wollte der Heimat seiner Vorfahren zwar "ein Museum auf dem Dorf, aber dezidiert kein Dorfmuseum" schenken. Und so beherbergt das Museum Kunst der Westküste, das zur Eröffnung am 31. Juli nicht nur den Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, sondern sogar die dänische Königin erwartet, nun die historisch orientierte, auf die Malerei der Nordseeküste konzentrierte Gemäldesammlung seines solventen Stifters.

In großem Stil und vergleichsweise kurzer Zeit hat Frederik Paulsen auf Kunstauktionen bedeutende Werke skandinavischer, niederländischer und deutscher Maler des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts erworben. Max Beckmann und Emil Nolde, Max Liebermann und Edvard Munch, Hendrik Willem Mesdag und Otto Heinrich Engel, Strandszenen von Isaac Israels und Hallig-Porträts von Jacob Alberts. Die Sammlung umfasst Norddeutschland, Dänemark (mit einem besonderen Schwerpunkt auf den Skagenmalern), Norwegen und die Niederlande und soll in Zukunft um Einzelstücke erweitert werden.

Malerei wird im Museum Kunst der Westküste als Begegnung mit der eigenen Identität verstanden, was sich sowohl inhaltlich als auch in der architektonischen Umsetzung zeigt. "Tageslicht-Museum" nennt Gregor Sunder-Plassmann seinen Komplex - und schon im ersten Saal, einem hohen, schlichten Scheunenraum, in dem der Besucher zunächst einen Überblick über die Bandbreite der rund 450 Stücke umfassenden Sammlung erlangt, hält der das Nordlicht einfangende Dachfirst dieses Versprechen. Die an allen vier Raumseiten eng gehängten Gemälde wirken dabei wie gerahmte Fenster zur Küstenlandschaft und ihren Bewohnern. Man blickt auf eine "Blühende Hallig" von Jacob Alberts, eine "Brandungswelle am Sylter Strand" des Marinemalers Hans Bohrdt oder die "Nordspitze von Helgoland" von Eduard Schmidt. Als Vorboten der Moderne widmeten sich die Künstler des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts verstärkt der Landschaftsmalerei unter freiem Himmel. Ihre Seestücke und Lichtstudien spiegeln die Weite und Dramatik des Meeres, des Flachlandes, der erhabenen Fjordpanoramen und des über allem sich wölbenden Himmels.

In der Eröffnungsausstellung "Von Bergen nach Bergen" ist den impressionistischen, realistischen und teils agrarromantischen Positionen der Landschaftsmaler eine zeitgenössische Lichtinstallation des Düsseldorfer Medienkünstlers Mischa Kuball sowie die Videoarbeit "The Great Escape" des Niederländers Jeroen Offerman entgegengesetzt. Auch diese Reibung symbolisiert eine entscheidende Aufgabe des Museums Kunst der Westküste: Die bewusste Auseinandersetzung zwischen Tradition und Moderne, inhaltlich, ästhetisch - und, wie einst bei Grethjen Hayen, im ganz konkreten Dialog mit der Dorfgemeinschaft. Museums-Nachbar Hermann Diekmann jedenfalls, 77 Jahre alt und ein echtes Föhrer Urgestein, ist als gelernter Maurer zwar nicht so ganz einverstanden "mit der Fugenarbeit der Kollegen", na, und ob man nun ausgerechnet in Alkersum ein Kunstmuseum brauche ... Dann aber klopft er doch mit der stoischen Gemütlichkeit des Insulaners an die Fassade von Grethjens Gasthof und wagt seine Prognose: "Dat löpt sick aal torecht!"

Was, für friesische Verhältnisse, einem Kompliment schon verdammt nah kommt.

Museum Kunst der Westküste Eröffnung: 31. Juli, am Eröffnungswochenende (1./2. August) Eintritt frei (sonst 6 Euro). Geöffnet tägl. außer Mo.; Internet: www.mkdw.de