“Mein unbedeutendes Leben wurde bedeutend“ - so erklärte McCourt den Welterfolg über seine elende Kindheit.

Hamburg. Frank McCourt war ein wunderbares Beispiel dafür, dass jedes Leben auch außerhalb aller Wahrscheinlichkeit ganz ungewöhnliche Dinge wie Glück und Erfolg vorsehen kann. Glück war in seinem Fall, seine von Hunger, Krankheit und Gewalt geprägte Kindheit überhaupt überlebt zu haben. Glück war es auch, dass er Lehrer werden konnte und damit einen Beruf hatte, in dem er nicht nur seine Berufung fand, sondern auch mit unkonventionellen Methoden Schülern die Schönheit der englischen Sprache beibringen konnte.

Sein größter Erfolg jedoch stellte sich erst im Alter ein. Mit 66 Jahren wurde er weltberühmt und lästerte darüber: "Das ist ein Alter, in dem manch einer schon den Stift nicht mehr halten kann." Er war kein Wunderkind, sondern ein "Wunderalter", in einer Zeit, die vom Jugendwahn besessen war. Aus der Geschichte über seine entbehrungsreiche Kindheit als Ältestes von sieben Geschwistern hatte er mit dem Roman "Die Asche meiner Mutter" einen Weltbestseller gemacht, der in 40 Sprachen übersetzt und auch verfilmt wurde. "Schlimmer als die gewöhnliche armselige Kindheit ist die armselige irische Kindheit und noch schlimmer ist die armselige irische katholische Kindheit", hatte McCourt gesagt und mit seiner packenden, herzzerreißenden, unprätentiösen Erzählweise aus der Sicht eines Kindes sechs Millionen Buchkäufer weltweit gefesselt.

Dass ihn ausgerechnet die Schilderung seiner Armut reich gemacht hatte, war für den Autor pure Ironie. Er war froh, dass ihn der Erfolg erst spät heimgesucht hatte: "Als junger Mann hätte ich die Aufmerksamkeit kaum verkraftet und das viele Geld mit Wein, Weib und Gesang durchgebracht." Er war eben ein echter Bilderbuch-Ire. Genau dafür liebte ihn auch sein deutscher Übersetzer Harry Rowohlt: "Ich hab ihn 1996 das erste Mal gesehen", sagt Rowohlt, "ich habe ihn mit Küssen überschüttet, weil ich ihn so lieb gewonnen hatte vom Übersetzen her."

Frank McCourt starb am Sonntag in einem Hospiz in New York. Nach Angaben seines Verlags war die Todesursache eine bösartige Form von Hautkrebs. Vor Tagen hatte McCourts Bruder Malachy mitgeteilt, dass sich sein Bruder nach einer Krebserkrankung eine Hirnhautentzündung zugezogen habe. "Er wird das wohl nicht überleben." Am Ende konnte McCourt kaum mehr hören und verlor sein Augenlicht. Der Pulitzer-Preisträger wurde 78 Jahre alt.

McCourt war beseelt vom amerikanischen Traum. In den USA wollte er leben, notfalls hinter Gittern: "Im Gefängnis hat es jeder warm und bekommt dreimal am Tag was zu essen." Er war dort geboren, die Familie ging aber zurück ins irische Limerick, als Frank vier Jahre alt war.

Bitterarm lebten sie in einem nassen Keller. Der Vater trank, schlug seine Kinder. Die Mutter versuchte alles, um die Kinder durchzubringen, doch drei Brüder starben. Mit 14 Jahren musste Frank die Schule verlassen, verdiente Geld mit Knochenarbeit und als Drohbriefschreiber für eine Geldeintreiberin oder Pfleger von Kanarienvögeln. Mit 19 Jahren hatte er so viel Geld zusammen, dass er in die USA reisen konnte. Die Armee, mit der er drei Jahre in Bayern stationiert war ("meine schönsten Jahre"), ermöglichte dem zähen Autodidakten ein Studium der Literatur. Nachdem er 33 Jahre als Lehrer gearbeitet hatte, schrieb er seinen ersten Roman. Ein Schüler hatte ihn ermuntert: "Versuchen Sie es doch mal."

Frank McCourt war ein Erinnerungskünstler, der in einer Zeit, in der sich in Filmen und Romanen thematisch immer mehr das Unwahrscheinliche durchgesetzt hatte, mit einer wahren Geschichte überzeugte. Er war ein dokumentarischer, bewegender Autor, der sich aus dem reichen Fundus seines Lebens bedienen konnte. Und als wahrer Ire selbstverständlich voller Mutterwitz. "Ich war Experte für Elend", sagte er. Jeder Tragödie konnte er Komik abgewinnen. Er schilderte die Schrecken seiner Kindheit - Kälte, Hunger, verfaulte Zähne, verschorfte Haut, scheinheilige Priester und prügelnde Lehrer - mit unverwüstlichem Humor.

Seinen Kindheitserinnerungen folgte "Ein rundherum tolles Land", das mit seiner Rückkehr in die USA begann. 2006 erschien "Tag und Nacht und auch im Sommer", das sich mit seiner Zeit als Lehrer beschäftigt und 1958 einsetzt, an seinem ersten Unterrichtstag. Doch seinem Erstling blieb McCourt am stärksten verbunden. In der Danksagung zu "Die Asche meiner Mutter" steht ein "Lobgesang auf die Herrlichkeit der Frauen":

"Ich musste diesen Roman schreiben", hat er gesagt, "sonst wäre ich weinend gestorben."