Hans Löw, Peter Jordan und Stephan Schad sind das Trio, das sich auf der Bühne über ein weißes Bild zerstreitet und wieder versöhnt. In der Galerie der Gegenwart sprachen sie über das Stück und über Kunst.

Hamburg. Die Geschichte dreier Männer, deren Freundschaft auf die Probe gestellt wird, weil einer von ihnen sich ein Bild gekauft hat, ein monochromes, ganz in Weiß, und dafür 200 000 Euro hingelegt hat, begeistert jeden, der sich schon mal gefragt hat, ob er einem Freund die Wahrheit ins Gesicht sagen soll. Und wer hätte das nicht?

Die Pariserin Yasmina Reza hat das Stück "Kunst" geschrieben und ist damit zur erfolgreichsten lebenden Bühnenautorin der Welt geworden. Sie ist die Erfinderin höchst amüsanter und intelligenter Stücke, die im Bürgertum spielen. Und sie erzählt von Ereignissen, die uns allen passieren. Für die wir aber zu unbegabt sind, um sie so schmissig und lustvoll aufzuschreiben wie Reza. Boulevardesk verpackt, verhandelt sie philosophische Fragen. Mit "Kunst" hatte sie 1994 ihren Durchbruch. Es ist ein Welthit geworden, wurde in 40 Sprachen übersetzt.

Peter Jordan, Hans Löw und Stephan Schad, drei Lieblinge aus dem Thalia-Ensemble, spielen demnächst "Kunst" am St.-Pauli-Theater, in einer Inszenierung, die dort bereits bejubelt wurde, allerdings in anderer Besetzung. Jordan hat das Stück dort schon gespielt, die beiden anderen sind neu dabei. Das Bild wird zum Auslöser eines turbulenten, handgreiflichen, eitlen und auch wieder versöhnlichen Konfliktgerangels.

Die drei Großstadtneurotiker sehen ihre gewohnten und schlaff gewordenen Beziehungen auf einmal im Licht von Zorn, Enttäuschung, Karrierefrust und auseinandergedrifteten Weltvorstellungen.

Mit der Kuratorin für zeitgenössische Kunst, Sabrina van der Ley, und den drei Schauspielern sind wir in die Hamburger Kunsthalle gegangen und betrachten dort gemeinsam monochrome Bilder. Es darf wohl gesagt werden, dass wir erst nach den Erklärungen der Kunsthistorikerin erkennen, was so alles in einer planen, einfarbigen Fläche stecken kann. Stephan Schad - er spielt im Stück den Käufer des Bildes, über das sich die Freunde zerstreiten - gibt freudig zu: "Ich würde mir so ein Bild kaufen, wenn ich's könnte." Peter Jordan könnte eine Geldanlage darin sehen, "obwohl der Wert von Kunst sich ja allein auf Behauptung gründet". Hans Löw kann sich vorstellen, in welcher kunsthistorischen Tradition das Bild steht, "aber der Wert ist für mich total abstrakt". Schad sagt: "Wenn man mehr in die Materie eintauchen würde, könnte man sicher noch mehr damit anfangen. Das Stück macht sich ja auch lustig über diese Kunstbanausen."

Überhaupt ist das Stück eine Steilvorlage für so viele Gespräche, wie wir sie abends mit Freunden führen, wenn wir über Karrieren, Partner, Mütter, Moral oder Leidenschaften reden. Peter Jordan sagt dazu: "Das Stück muss gespielt werden wie ein französischer Werbespot. Schnell und kompromisslos. Man muss fast schneller denken als man sprechen kann. Da kann man sich mal richtig ausleben. Jedenfalls in dieser Beziehung." Und: "Früher nannte man solche Stücke 'Screwball'- oder 'Speed-Comedy'."

Screwball-Komödien, das sind jene saukomischen Stücke, in denen Menschen, die gewöhnlicherweise zivilisiert miteinander umgehen, diese Regeln außer Kraft setzen, alle Hemmungen verlieren, alles auf den Kopf stellen und in völlige Anarchie verfallen. Oft ist da die Liebe mit im Spiel. In "Kunst" ist es die Freundschaft. "Für die drei ist der Streit existenziell. Die streiten sich anhand eines Bildes über ihre Freundschaft", sagt Peter Jordan, "das Bild ist dabei eigentlich unwichtig. Es geht darum, dass sie sich lange schon auf die Nerven gehen. In Wahrheit ist das eine große Tragödie, die so geschickt geschrieben ist, dass es großen Spaß macht." Aber die Komik liegt eben auch darin, dass sich die Zuschauer wiedererkennen. "Natürlich", sagt Jordan, "ich hab das ja schon gespielt und gemerkt, wie die Zuschauer darauf abgefahren sind. Nicht wie im Theater, sondern eher wie im Konzert."

Auf die Frage, ob man als Schauspieler noch mehr Gas gibt, wenn die Zuschauer lachen, weiß Hans Löw: "Dem Affen Zucker zu geben ist immer eine Gefahr, manchmal auch hilfreich und schön. Aber man muss genau bleiben." Und Peter Jordan sorgt sich darum, "man darf vor allem keine Geschwindigkeit verlieren. Es steigert sich, fängt mit Gesprächen an, es wird hektisch. Dann brüllt man sich an. Es geht ans Eingemachte. Man muss sich beherrschen, dass man schlank bleibt."

Was ist denn nun das Geheimnis, wenn man komisch spielen will? Stephan Schad behauptet, es sei der Kontrast: "Einer von denen ist total ernst. Hält es überhaupt nicht für witzig, dass sein Freund das Bild 'total Scheiße' findet. Er geht sofort hoch, daran merkt man, dass es nicht das erste Mal ist, dass Missverständnisse zwischen denen aufgekommen sind. Es ist fast wie bei einem alten Ehepaar.

Aber müsste es zwischen guten Freunden nicht drin sein, dass man einander die Wahrheit sagt? Darf man sagen: "Ich finde deine Freundin blöd. Sie passt nicht zu dir?" Peter Jordan hat Ähnliches schon erlebt, aber "es passiert äußerst selten, und ich mache so etwas gar nicht. Ich hab dann aber sehr schnell gemerkt, dass mein Freund recht hatte." Hans Löw erwartet Aufrichtigkeit sogar von einem Freund und erlebt sie auch. "Unsere Freundschaft hat nicht drunter gelitten."

Peter Jordan schlägt vor - ganz anders als seine Figur im Stück - diplomatisch vorzugehen und Kritik positiv rüberzubringen. Nicht sagen: "Deine Wohnung sieht scheußlich aus", sondern: "Ich würde hier ein bisschen mehr Farbe reinbringen." Und Hans Löw ergänzt: "Oder sagen: 'Du bist doch eher so ein sachlicher Typ'".

Stephan Schad bringt es auf jenen Punkt, der offenbar auch das Stück so erfolgreich macht: "Ich würde ohne Weiteres sagen: 'Ich finde schon, dass du keinen Geschmack hast.' Dann würden wir zusammen drüber lachen."

Kunst: 28. bis 30. August und im Oktober, St.-Pauli-Theater, Spielbudenplatz 29, Karten unter Tel. 47 11 06 66 , 15,70 bis 41 Euro.