In der Berliner Humboldt-Universität erinnert seit gestern eine Büste an Hans von Dohnanyi. Der Vater des ehemaligen Hamburger Bürgermeisters war eine zentrale Figur im Widerstand gegen Hitler.

Berlin. "Es geht um Erfahrungen, von denen Ihre Generation Gott sei Dank überhaupt keine Ahnung hat", meint Richard von Weizsäcker mit dem energisch-jovialen Tonfall eines Menschen, der in einem langen Leben viel erlebt und deswegen viel gelernt hat.

Er spricht in sonor altbundespräsidialem Tonfall über große moralische Dilemmas und von einem jungen Juristen aus gutbürgerlichem Haus, der sich in finsteren Zeiten konspirativ und konsequent für die gute Seite entschied - und dafür, wie viele seiner gleichgesinnten Freunde, mit dem Leben bezahlen musste. Die Nazis haben Hans von Dohnanyi - angeblich auf der Krankentrage - zum Galgen gebracht, im April 1945, wenige Wochen vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde er im KZ Sachsenhausen ermordet.

Einfach ist es nicht, sich vorzustellen, wie aus Hans von Dohnanyi eine zentrale Figur des Widerstands gegen Hitler wurde, die von innen als "kluger Konspirator" an den Unrechtsstrukturen rüttelte. Erst recht nicht, wenn einem sofort die auf Kino-Effekte getrimmten "Operation Walküre"-Szenen mit einem schneidigen Tom Cruise vors geistige Auge geraten, in denen Politik auf Action verkürzt und verdichtet wird. "Mein Vater hat versucht, die Nazi-Diktatur wenigstens im Einzelfall aufzuhalten", beschreibt Klaus von Dohnanyi, Hamburgs ehemaliger Bürgermeister, dessen Haltung. In Einzelfällen, bei einigen jüdischen Freunden, ist es ihm gelungen. Er schaffte es, sie unter abenteuerlichen Umständen in die Schweiz zu bekommen.

Dort, wo Hans von Dohnanyi in den 20er-Jahren studierte, in der Juristischen Fakultät der Berliner Humboldt-Universität, erinnert seit gestern eine Büste an ihn. Angeregt wurde sie von einem seiner Söhne, Klaus von Dohnanyi, der fand, an dieser historischen Stelle müsse man an "gelebtes Recht" erinnern (Bruder und NDR-Chefdirigent Christoph von Dohnányi fehlte bei dieser fast familiären Feierstunde, er ist am Vortag in die USA abgereist).

In der Haupthalle am Bebelplatz arbeitet sich eine Ausstellung eher formal an diesem Thema ab. In diesem Foyer bekommt die Haltung ein Gesicht. Christoph Paulus, Dekan der Juristischen Fakultät, erzählt, dass dieses unscheinbare Denkmal neben drei historischen Schautafeln den Auftakt für eine größere Aufarbeitung sein wird, die sowohl NS- als auch DDR-Unrecht thematisieren soll.

Angefertigt wurde die Büste von dem aus Lübeck stammenden Berliner Bildhauer Bertrand Freiersleben, ihre Konturen sind klar, aber rau, direkt und widerspenstig. Das passt, historische Quellen bescheinigen Dohnanyi eine Mischung aus kühlem Intellekt und großer Herzlichkeit.

Während die Reden gehalten werden und die geladenen Gäste von einem Rechtshistoriker erfahren, dass diese Fakultät alles andere als ein "Hort des Widerstands" war, bestaunen Touristen aus aller Welt vor der Tür fröhlich die historische Pracht-Architektur der Umgebung, nebenan prunkt die Staatsopern-Fassade. Im Innenhof der Fakultät diskutieren Jurastudenten bei günstigem Milchkaffee und Selbstgedrehten theoretische Rechtsprobleme.

Hans von Dohnanyi, der hier in den Jahren der Weimarer Republik studiert hatte, dann nach Hamburg ging, bevor er eine Politverwaltungskarriere in Berlin machte, war Praktiker. Er handelte, wo andere zögerten, mitmachten oder auch nur zusahen. Ob und wie sein Sohn Klaus von Dohnanyi sich entschieden hätte? Er weiß es nicht. Auch nach all den Jahrzehnten nicht. Wer weiß so etwas schon wirklich. "Darüber kann man nur reden, wenn man selbst geprüft ist", findet er. Inzwischen hat sich der 81-Jährige wieder gefangen; als er den Text verlas, mit dem sein Vater 2003 von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zum "Gerechten unter den Völkern" ernannt worden war, verlor er für einen Moment den Kampf mit den Tränen.

Der Historiker Winfried Meyer hat den gestern Geehrten schon vor Jahren so charakterisiert: "Dohnanyi war kein Gewerkschafter, kein Sozialdemokrat, und besonders christlich war er auch nicht - der Mann war einfach anständig." Das reicht im Idealfall auch heute, um Vorbild zu sein.