Die Studio-Hamburg-Tochter MCI bekam zum ersten Mal einen Auftrag des ZDF. Lohn der Arbeit sei “Europas größtes virtuelles Nachrichtenstudio“ zu sein.

Hamburg. Wenn um 19 Uhr die "heute"-Nachrichten des ZDF erstmals aus dem funkelnagelneuen News-Studio auf dem Mainzer Lerchenberg auf Sendung gehen, werden nicht nur bei den Verantwortlichen des Senders die Nerven zum Zerreißen gespannt sein. Auch in Tonndorf wird man die Nachrichtensendung aufmerksam verfolgen. Dort hat die Studio-Hamburg-Tochter MCI ihren Sitz, die für die komplette technische Ausstattung des neuen Studios verantwortlich ist.

Es war das erste Mal, dass die Hamburger einen Auftrag des ZDF ergatterten. In der Ausschreibung setzten sie sich gegen die in Mainz ansässige einstige Siemens-Tochter BFE durch, die Marktführer in Sachen Sendetechnik ist. Schenkt man MCI-Geschäftsführer Ralf Schimmel Glauben, war der Auftrag in jeder Hinsicht ein Projekt der Superlative. Das fing mit dem Abarbeiten der 600 Seiten starken Ausschreibungsunterlagen an und hörte mit dem Verlegen von 120 Kilometer Kabel noch nicht auf. "Zeitweise arbeiteten 36 unserer Leute parallel auf der Baustelle", sagt Schimmel. "Wir mussten in nur sechs Monaten leisten, was man sonst nur in zwölf Monaten schafft."

Lohn der Arbeit ist laut Schimmel "Europas größtes virtuelles Nachrichtenstudio". Die Moderatoren stehen in einem, bis auf den Moderationstisch, leeren grünen Raum. Das sieht der Zuschauer freilich nicht. In das satte Grün wird eine vom Computer errechnete dreidimensionale Studiokulisse projiziert. Die Technik ermöglicht jede Menge Tricks: In der Probesendung war etwa eine im Studio landende Mondfähre zu sehen. Eine Sonderanfertigung sind auch die fahrbaren Podeste, auf denen die Moderatoren stehen. Sie sollen dafür sorgen, dass die Köpfe des Moderatorengespanns, unabhängig von dessen tatsächlicher Körpergröße, stets auf einer Höhe sind. Als Kameraleute wünschte sich das ZDF Industrieroboter, wie sie bisher nur beim Automobilbau eingesetzt werden. Deren Einsatz klappte nicht von Anfang an. Schimmel erinnert sich an einen Roboter, "der erfolgreich Selbstmord beging, indem er über sein Stromkabel fuhr". Gering ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein ebenfalls suizidal veranlagter Artgenosse die heutige Premiere sprengt.

Auch für die "heute"-Konkurrenz von ARD aktuell ("Tagesschau", "Tagesthemen") hat MCI schon gearbeitet. In Branchenkreisen wird gemunkelt, das Erste könne demnächst mit neuer Technik den Angriff aus Mainz kontern.

Zu den MCI-Kunden zählen auch der Nachrichtenkanal N24 und Hamburg 1. Der Lokalsender wird noch diesen Monat aus einem neuen von MCI entwickelten Studio auf Sendung gehen. Zusätzliche Aufträge gibt es dank des neuen hoch auflösenden Sendestandards HDTV. An einem für die neue Technik ausgelegten Studio arbeiten die Tonndorfer im Auftrag des MDR in Leipzig. Im Ausland haben sie an den Kinderkanal des in Katar beheimateten Nachrichtensenders al-Dschasira einen Ü-Wagen ausgeliefert. Weitere Projekte entstehen in Oman und im Südsudan, wo MCI einen völlig neuen TV-Sender plant.

Das Unternehmen, dessen 110 Mitarbeiter einen Umsatz von knapp 50 Millionen Euro erwirtschaften, bietet auch Dekorationsbau und Kommunikationstechnik für Fluglotsen an. Derzeit lockt MCI eine besonders lukrative Ausschreibung des ZDF. Es geht um die Erneuerung der Sendeabwicklung der Mainzer. Das Projekt hat ein Volumen von knapp 20 Millionen Euro. Bei dem Auftrag für das neue Nachrichtenstudio ging es für MCI um ein Volumen von "nur" 4,8 Millionen Euro.