Ein kleines Wort erlebt einen Aufschwung, der fast so gewaltig ist wie der Abschwung, den es angeblich verursacht hat: das Wort Gier. Laut Wahrig ist es etymologisch verwandt mit “begehren, Geier, gähnen“. Der Geier ist dann wohl der Pleitegeier.

Man nennt das nicht Gier, aber jeder weiß: Wenn es irgendwo was umsonst gibt, dann strömen die Leute herbei. So funktioniert die Abwrackprämie. Es gibt 2500 Euro "vom Staat", und schon verschrotten die Leute Autos, für die sie im regulären Gebrauchtwagenhandel (wenn der denn überlebt) vielleicht mehr hätten kriegen können.

Gier? Die Kollegin Heike Faller von der "Zeit" wollte es genau wissen, hat ein Jahr als Spekulantin gelebt und ein Buch darüber geschrieben. Sie sagt: "Am Anfang fragen mich viele nach Ethik oder Windkraft. Und wenn ich ihnen dann von den Gewinnchancen im Irak erzähle, siegt die Gier." Sie selbst hat sogar am Zusammenbruch der Lehman-Bank verdient, dank ihrer sogenannten Put-Optionen, mit denen man gegen gewisse Banken wetten kann. Ihre "Puts" haben 800 Euro zugelegt.

Das "Monster" (Bundespräsident Köhler) lebt und lässt grüßen. Auch jetzt dürfen Banken und Hedgefonds mit jenen Kreditderivaten handeln, die zum Crash an der Wall Street geführt haben, einschließlich jener hochriskanten "Credit Default Swaps", die der berühmte Warren Buffett "finanzielle Massenvernichtungswaffen" genannt hat. Hat sich was geändert? Solange Gehaltsprämien sich an Jahresbilanzen orientieren, sagt Nobelpreisträger Paul Krugman, belohnen sie "den Anschein von Gewinn, selbst wenn dieser Anschein sich als Illusion entpuppt".

Apropos Boni: Hamburgs Finanzsenator Freytag sorgt sich, dass die defizitäre HSH Nordbank "ausbluten" könnte, weil wichtige Mitarbeiter von besser bezahlenden Banken abgeworben würden. Mehr als 500 000 Euro im Jahr darf ein Vorstand bei der HSH nicht mehr verdienen. Also soll er wohl Boni kriegen, auch wenn der Laden Verlust macht.

Was, mit Verlaub, ist das eigentlich für ein Geschäft, das sogenannte Führungskräfte für eine lumpige halbe Million im Jahr nicht mehr betreiben wollen? Findet das noch in der realen Wirtschaft statt? Ist es mit dem Wort Gier noch zu beschreiben? Zum Schluss die gute Nachricht: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat ermittelt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich durch die Wirtschaftskrise geringer geworden ist. Dank der Gier?