Seit mehr als 50 Jahren setzt die Sopranistin stimmliche und optische Maßstäbe.

Porträt: Anja Silja. Ein Leben wie in der Oper.

22.20 Uhr Arte

"Ich bin überhaupt nicht ehrgeizig. Warum soll ich aufhören, solange ich das noch kann?" Vielleicht ist die Sopranistin Anja Silja auch deswegen noch beispielhaft weit davon entfernt, an ein professionelles Verstummen denken zu wollen. Sie singt seit Jahrzehnten nur, was sie will, wo sie will und mit wem sie will. Unerschütterliches Selbstvertrauen, eine offenbar unerschütterliche Stimme. Ein Luxus, der alles andere als selbstverständlich ist in der Opernwelt.

Die Eckdaten des 2008 entstandenen Filmporträts "Ein Leben wie in der Oper" sind längst bekannt, doch mit welcher Professionalität die mittlerweile 69-Jährige den Herbst ihrer Karriere zu nutzen versteht, das ist schon beachtlich. Weil es so selbstverständlich rüberkommt, obwohl es das genaue Gegenteil davon ist.

Alles Wichtige kommt in dem knapp einstündigen Film von Holger Preuße und Felix Schmidt, verpackt in Interviews, Beobachtungen und Proben-Besuche, mehr oder weniger verkürzt zur Sprache: Der Beginn als Wunderkind, der steile Karriere-Aufschwung in Bayreuth, wo Silja als früh Gereifte stimmlich, darstellerisch und optisch Maßstäbe setzte, weil sie die Operncharaktere in dem Alter sang und verkörperte, in dem sie gedacht waren. Doch nur sehr wenige Sängerinnen haben in jenem Alter dann auch schon die passende Stimmkondition; Silja sang die Isolde, als sie 20 war.

Die Beziehungen zu den drei wichtigsten Männern in Anja Siljas Leben schließen sich an: Wieland Wagner, erst Förderer, dann auch Freund. Als er starb, war das Kapitel Bayreuth für sie beendet. Die Karriere ging im Rest der Welt weiter. Nach Wagners Tod lernte sie André Cluytens kennen und lieben, doch der Dirigent starb ebenfalls. Und schließlich der jetzige NDR-Chefdirigent Christoph von Dohnányi, der mit der Charakterbeschreibung, Silja sei während ihrer Zeit als seine Gattin und Teilzeit-Hausfrau eine "pathologisch liebende Staubsaugerin" gewesen, die mit Abstand schönste Pointe des Films liefert. Der gewissermaßen vierte Mann ist der Komponist Leos Janácek. Dessen Musik hat Silja spät, dafür aber umso leidenschaftlicher für sich entdeckt. In seinen Opern fand sie ihre reifen Paraderollen, die jahrhundertealte Diva Emila Marty in der "Sache Makropoulos" oder die keifend-verzweifelte Küsterin in "Jenufa".

Auch wenn Silja immer eine Trennlinie zwischen dem Bühnenjob und dem Rest des Lebens gezogen hat - sobald es sie packt, gibt es kein Halten mehr. Für die Darstellung einer Nonne in Nikolaus Lehnhoffs Hamburger Inszenierung von Poulencs "Dialoges des Carmelites" hatte sie sich so intensiv mit Glaubensfragen beschäftigt, dass sie sich katholisch taufen ließ.