Ein lebensuntüchtiger Sohn findet den Mut zur inneren Freiheit. Auch in einem ihrer letzten Filme hält Monica Bleibtreu wunderbar die Balance zwischen Ernst und Komik.

Es war eine ihrer letzten Rollen. Als Monica Bleibtreu im Juli 2007 den Film "Die zweite Frau" drehte, da wusste sie bereits von ihrer Krebserkrankung. Trotzdem oder gerade deshalb hatte sie die Figur der krebskranken Übermutter eines Tankstellenbesitzers (gespielt von Matthias Brandt) angenommen, die am Ende ihrer Krankheit erliegt. Auch Monica Bleibtreu starb an Krebs, am 13. Mai dieses Jahres, kurz nach ihrem 65. Geburtstag. In dem modernen Heimatdrama wird der 41 Jahre alte Sohn Erwin auf Brautschau geschickt, und zwar nach Bukarest, wo die Frauen laut Katalog der Heiratsvermittlung "lieb, warm und treu" sind. Erwin also kommt mit der temperamentvollen Krankenschwester Irina (Maria Popistasu) nach Hause, die ein bisschen Deutsch spricht. Doch wie in einem Sketch von Loriot haben die beiden kaum Chancen, sich näher kennenzulernen, denn Erwins Mutter dominiert das Leben im Haus. Kurz vor dem Ende der dreiwöchigen Probezeit will Irina wissen, woran sie ist. Als Erwin sie vertröstet, er müsse noch mal "mit Mama sprechen", lässt sie keinen Zweifel daran, was sie davon hält: "Bist du Mann, oder was? Scheiß auf Mama!"

Selbst als die Mutter schwer krank ins Krankenhaus kommt und an Krebs stirbt, kann sich Erwin noch nicht von den Zwängen befreien, mit denen er bisher gelebt hat. Erst als Irina wieder in ihre Heimat flüchtet, findet Erwin den Weg zu innerer Freiheit und zu dem Mut, sein bisheriges Leben von Grund auf umzukrempeln. In Rumänien angekommen, erlebt Erwin eine dicke Überraschung.

"Auf den ersten Blick mag die Mutter, die ich spiele, hart wirken, aber sie ist es nicht", sagte Bleibtreu in einem WDR-Interview nur wenige Tage vor ihrem Tod. "Sie ist eine pragmatische Frau, die zu ihrem Sohn freundlich und herzlich ist. Zu der jungen Rumänin ist sie es weniger." Die Nabelschnur zum Sohn sei noch längst nicht durchtrennt. "Die beiden lieben sich und hängen sehr aneinander. Deshalb ist es ein besonders großer Schritt sowohl für den Sohn, sich eine zweite Frau zu suchen, als auch für die Mutter, ihn loszulassen. Ich mochte das Buch auf Anhieb. Die Idee, dass eine Mutter ihrem Sohn aus Liebe eine Frau kauft, finde ich grandios."

Über den Kollegen Matthias Brandt sagte Bleibtreu, er habe "eine Gabe dafür, scheinbar tumbe Typen mit großem Feingefühl zu spielen". Regisseur Steinbichler sei aufmerksam, er lasse den Akteuren genug Freiraum, "ohne sie aus den Augen zu verlieren". Maria Popistasu sei "eine absolute Entdeckung".

Das Kammerspiel "Die zweite Frau" - das Drehbuch hat der 40-jährige Robert Seethaler geschrieben - wurde mit dem Adolf-Grimme-Preis ausgezeichnet. "Mit wenigen Worten und starken Metaphern hält der schmerzhaft genaue Film die Balance zwischen Ernst und Schmunzeln, Abstand und Nähe zu den Protagonisten", lobte die Jury die Geschichte. Regie führte Hans Steinbichler ("Hierankl", "Winterreise"), dem vor allem eine Sequenz in Erinnerung geblieben ist: "In der Szene, in der ihr Sohn an ihrem Sterbebett sitzt, war mir sofort klar, was Monica Bleibtreu gerade dachte. Sie sah mich an und wir dachten beide an ihren wirklichen Sohn."