Der Kostümfilm ist die zweite Regiearbeit der Französin Julie Delpy. Auch das Drehbuch stammt von ihr. Und die Hauptrolle? Spielt sie auch selbst.

Hamburg. Sie war schon immer anders als ihre französischen Schauspielkolleginnen. Eigenwilliger, selbstbewusster, irgendwie auch gelassener. Sie hat noch nie getan, was man von ihr erwartet hat oder was nach geltenden Branchengesetzen möglicherweise klüger gewesen wäre. Und trotzdem - oder vielleicht genau deshalb - gehört Julie Delpy heute zu den erfolgreichsten Frauen im Filmbusiness. Als Schauspielerin und seit ein paar Jahren auch als Regisseurin.

Wer nun von ihrer zweiten Regiearbeit etwas ähnlich Charmantes erwartet hat, wie der "Woody Allen"-hafte Pärchenverwirrungsfilm "2 Tage Paris", muss enttäuscht werden: "Die Gräfin" kommt mitnichten so leicht daher wie ein Pariser Spätsommertag - im Gegenteil. Das Werk, das am Donnerstag in den Kinos anläuft, ist ein barocker Kostümfilm mit Splattereffekten. Es handelt von der mächtigen Ungarin Ezsébet Báthory, die unglücklich in einen jüngeren Mann verliebt ist und sich das Blut von Jungfrauen ins Gesicht reibt, um ihre entschwindende Jugend zu konservieren. Die Hauptrolle der blutsaugerischen Gräfin übernimmt Delpy selbst - und das ist in zweierlei Hinsicht konsequent.

Zum einen hat sie sich schon mit "2 Tage Paris" als filmisches Allround-Wunder präsentiert und Drehbuch, Regie, Musik und Hauptrolle in die eigene Hand genommen. Nur das Geschöpf von anderen zu sein ist Julie Delpy nicht genug. Zum anderen gehört sie zu jener raren Spezies Schauspielerinnen, die keine Scheu haben, sich vor der Kamera ein bisschen lächerlich zu machen und Schwachstellen, Neurosen, kleine Unperfektheiten zu entblößen.

In "2 Tage Paris" trägt die Hauptfigur eine klobige Nerd-Brille im ungeschminkten Gesicht, schläft in mit Spielzeugmotiven bedruckter Bettwäsche und schreit Pariser Taxifahrer an; überhaupt ist sie ziemlich hysterisch. In "Die Gräfin" zoomt die Kamera gnadenlos auf knitterige Mimikfältchen und übermüdete Gesichtszüge. "Sieh mich an: Ich verrotte", sagt die Figur zu ihrem Spiegelbild. Julie Delpy hat sich nie darauf ausgeruht, nur schön zu sein.

Dennoch: In Zuschaueraugen war sie stets eine Art Elfenwesen - Alabasterteint, blonder Haarschopf, großes Lachen. Max Frisch meinte in Volker Schlöndorffs Verfilmung seines "Homo faber" "das Gesicht einer großen deutschen Romantikerin" zu sehen. Mit Richard Linklaters Doppelerfolg "Before Sunrise" und "Before Sunset" wiederum wurden Delpy und ihr Filmpartner Ethan Hawke zum Gesicht einer Generation jung(geblieben)er Erwachsener.

Schauspielerin wurde Delpy, auch das passt zu der sich gängigen Klischees entziehenden Karriere, quasi aus Versehen. Eigentlich wollte sie, 14 Jahre war sie damals alt, einen Assistentenjob bei Jean-Luc Godards "Détective", stattdessen bat er sie mitzuspielen. Es gibt schlechtere Anfänge im Filmgeschäft. 25 Jahre nach diesem glücklichen Versehen ist nun ein Film entstanden, der zwar eine historische Legende bebildert, aber sehr präzise heutige Umstände reflektiert. "Die Gräfin" ist auch eine Eitelkeitsgeschichte, eine Meditation über Jugend- und Schönheitswahn - was ihm das Etikett "feministischer Anti-Botox-Film" bescherte. Während der Dreharbeiten war Delpy schwanger und, als wäre das nicht genug Ablenkung von der Arbeit, erkrankte ihre Mutter an Krebs (und starb wenig später). Sie hat durchgehalten und den Film zu Ende gedreht. Er zeige ihre dunkle Seite, hat sie bei der Deutschlandpremiere erklärt: "Die musste einfach raus."

Klar, es gibt viele erfolgreiche Schauspielerinnen. Solche, die gleichzeitig Regie führen, fallen einem da schon weniger ein. Nicolette Krebitz und Ina Weisse in Deutschland, die Französin Agnès Jaoui, Jodie Foster und Diane Keaton. Mit keiner der Genannten lässt sich Julie Delpy so recht vergleichen. Sie war eben immer schon, was für ein Glück, ein bisschen anders als die anderen.