TV-Premiere: Nobelpreisträger Imre Kertész schrieb das Drehbuch zu seinem Jahrhundert-Roman.

"Der Holocaust lässt sich nicht verfilmen", hat Literaturnobelpreisträger Imre Kertész 2005 im Gespräch mit dem Abendblatt gesagt, als die Dreharbeiten für "Fateless - Roman eines Schicksallosen" gerade abgeschlossen waren. Jetzt, vier Jahre nach seiner Kinopremiere, wird der Film erstmals im Fernsehen ausgestrahlt. Tatsächlich beißen sich alle Holocaust-Filme die Zähne daran aus, das Unvorstellbare zu bebildern, von "Schindlers Liste" oder "Das Leben ist schön" bis zu "Der Pianist". Zu sehr wirkt alles wie eine Illustration, eine Passionsgeschichte in Papp-Dekor oder ein Bilderbogen des Elends. Denn natürlich kann man keine realistischen Bilder für das Grauen und die Ängste finden, die das Leben im KZ bestimmt haben.

Doch soll man deshalb keine Filme über Konzentrationslager und systematischen Massenmord drehen? Wohl nicht. Und so fragt man sich auch bei "Fateless", wie viel davon realistisch und wahr ist und was noch viel schlimmer war, als inszenierte Bilder es zu zeigen vermögen. Trotzdem: Der Film ist ein Gewinn - auch wenn Ennio Morricones ständig säuselnder Musikbrei entsetzlich stört. Immerhin hat Imre Kertész das Drehbuch für sein Jahrhundert-Buch, seinen autobiografischen "Roman eines Schicksallosen", an dem er 13 Jahre in seiner 29 Quadratmeter großen Wohnung gearbeitet hatte, selbst geschrieben. Und über den hat er ja schon gesagt: "Sprache ist untauglich zur Darstellung der wirklichen Prozesse."

Der ungarische Kameramann Lajos Koltai, der viele Filme mit István Szabó gedreht hat, hat die Geschichte des 15-jährigen jüdischen Jungen aus Budapest, der nach der Festnahme seines Vaters nach Auschwitz, später nach Buchenwald und Zeitz deportiert wird, in beeindruckend prächtigen Bildern, fast wie in Cinemascope nacherzählt. "Fateless" versucht, genau wie der Roman, zu zeigen, wie ein Mensch in eine mörderische Maschinerie gerät und von ihr zermalmt wird.

Der hübsche Junge György Köves mit den großen Augen (den der junge Marcell Nagy wirklich berührend spielt), der - und das ist das Unerhörte an Kertész Roman - den Alltag im KZ als das normale Leben betrachtet, der das beste Beispiel dafür ist, dass man sich an alles gewöhnt, geht wie ein Schlafwandler durch sein Leben. Das größte anzunehmende Böse mit der Unschuld der Kindheit zu konfrontieren, daraus gewinnt die Geschichte ihren einmaligen Reiz.

Ein Leben, über das andere bestimmen, das ihm aufgezwungen wird und in dem er jetzt nur noch eine Nummer ist: 64921. Er hat zu keinem Zeitpunkt eine Möglichkeit, ein eigenes Leben zu leben, deshalb nennt Kertész ihn schicksallos. Mit großer Naivität schaut er auf alles, was um ihn herum passiert. Marcell Nagy kann bis in kleinste Nuancen den körperlichen und seelischen Verfall des Entrechteten und Geschundenen wiedergeben.

Koltai startet mit Sepiafarben, wenn es um den Budapester Alltag geht. Mit der Deportation wird dann alles nur noch schwarz-weiß, schmutziggrau, grünschwarz, ganz so, wie es in den Seelen der Menschen aussieht. So wird deutlich, dass das Konzentrationslager eben nicht außerhalb der Realität steht, nicht die "Hölle" ist; es ist eine Wirklichkeit, oder, wie Kertész einmal schrieb, "eine generelle Möglichkeit des Menschen". Der Film zeigt endlose Kämpfe um das nackte Überleben, nur wenig sieht man von den Peinigern, und der obligate Blick von unten Richtung Duschkopf, den gibt es natürlich auch.

Dennoch, der Film ist sehenswert, gerade auch weil viele Menschen sich heute nicht vorstellen können, dass einige wenige wie Imre Kertész, der in diesem Jahr 80 Jahre alt wird, so etwas überlebt haben. Vor allen Dingen aber sollte dieser Film dazu anregen, Kertész' Roman, der zu den wichtigsten Büchern des vorigen Jahrhunderts gehört, zu lesen. Dass er als Junge, der aus den Vernichtungslagern zurück nach Budapest kehrt, so etwas wie Heimweh nach dem Lager spürt, denn dort hat er sein bisheriges Leben verbracht, ist unfassbar erschütternd.

Und dabei weiß man da noch gar nicht, dass Imre Kertész Jahrzehnte in der kommunistischen Diktatur verbringen wird, die er als ebenso schlimm empfand wie sein Leben unter den Nazis.