Henning Mankells Ermittler ist kein strahlender Held. Er ist ein komplizierter Mann, der an sich und der Welt leidet. Eine Paraderolle für den Mimen Branagh, der als Henry V. bekannt wurde.

Krimi: Kommissar Wallander - Die Brandmauer. So, 21.40 Uhr ARD

Das ist fast so etwas wie großes Kino fürs TV-Format: Gleich dreimal an einem Wochenende spielt Kenneth Branagh Henning Mankells Kommissar Wallander. Der britische Star-Schauspieler in der Rolle des schwedischen Polizisten - was für eine ungewöhnliche Kombination. Aber schließlich hieß es über Branagh schon einmal: "Er könnte alles spielen, mit Ausnahme der Königin Victoria." Er ist bekannt für sein detailgenaues Arbeiten. So hat er sich, was die Landessitten angeht, vor den Dreharbeiten mal umgeschaut und festgestellt, dass die schwedischen Sicherheitsvorschriften vorschreiben, dass sich eine Tür nur nach außen öffnen darf. Keine Täterjagd also, bei der der Polizist mit der Pistole im Anschlag die Tür öffnet. Dafür jede Menge Natur, Spannung und Menschen mit einem Geheimnis. Branagh spielt Wallander als jedermann: Er ist brillant im Beruf, hilflos zu Hause. Aber er scheint den Schmerz jedes Verbrechens am eigenen Leib zu spüren. Ein unnachgiebiger Ermittler, der mit sich selbst sehr nachlässig umgeht. Er ist aufgedunsen, unrasiert, all seine Beziehungen zu anderen Menschen sind gestört.

Mag Branagh als Shakespeares Hamlet schon mal mehr als 1500 Textzeilen zu sprechen haben, sein Wallander ist wortkarg, verschlossen. Er lebt in Scheidung, hat Probleme mit der Tochter, sein Vater bekommt Alzheimer, er trinkt zu viel, und wenn er rennt, sieht er aus wie ein Wasserbüffel.

Kein strahlender Held also. Eher ein komplizierter Mann, der an sich und der Welt leidet. Ein alt und bürgerlich gewordener Hamlet. Wallander ist ein geknickter Mann, das drückt sich auch in der gedrungenen Körpersprache aus. "Beim Lesen der Drehbücher bin ich so zusammengesackt, da hatte ich nach zehn Minuten keinen Hals mehr", soll Branagh gesagt haben. Wallanders Leben ist düster. Die ganze Welt ist düster, auch wenn das Schweden, in dem er ermittelt, unglaublich sauber und schön aussieht. Perfekt poliert, aber unter der Oberfläche brodeln gemeine Leidenschaften. Gelbe Rapsfelder, blauer Himmel - Farben wie die schwedische Flagge. Doch überall herrscht das Böse: Missbrauch und Mord am Freitag in "Die falsche Fährte", Internetterroristen Sonntag in "Die Brandmauer", ein Serienmörder in "Mittsommermord" (Montag, 21.45 Uhr, ARD).

Kenneth Branagh, der schon als 13-Jähriger Theater spielte, galt als Wunderkind. Und nicht nur das, sogar als Shakespeare-Wunderkind. Mehr geht nicht. Auf dem Theater jedenfalls. Ihm ist es Verpflichtung und Herausforderung gleichzeitig.

Auszeichnungen hat Kenneth Branagh schon viele bekommen. Neben dem Europäischen Filmpreis und dem New York Critics Award, dem französischen Kulturpreis, drei Oscar-Nominierungen und dem wichtigsten US-Fernsehpreis, dem Emmy, auch zwei Ehrendoktorwürden. Da fehlt eigentlich nur noch das von der Queen verliehene Adelsprädikat, wie es Schauspielern seiner Kategorie in Großbritannien irgendwann zufällt. Jenen Schauspiel-Göttern, die die englische Nation so sehr als Identifikationsobjekte braucht wie das nasskalte Wetter, die Mintsauce und den Tee. In früheren Zeiten hießen diese Theater-Götter John Gielgud oder Laurence Olivier, später dann Anthony Hopkins. Seit 20 Jahren gehört auch Branagh auf diesen Schauspiel-Olymp.

Fällt sein Name, denkt jeder zunächst an Shakespeare. An Branaghs Verfilmungen von "Henry V.", "Viel Lärm um Nichts", "Othello" oder "Hamlet", in dem er die Titelrolle neben Kate Winslet spielte. Heinrich V. ist seine Lebensrolle. Mit ihr hatte er 24-jährig seinen künstlerischen Durchbruch, mit ihr zeigte er fünf Jahre später als Regisseur und Hauptdarsteller, dass die Schrecknisse des Krieges Englands gegen Frankreich nicht nur aus den allgegenwärtigen Todesdrohungen bestanden, sondern dass ein Leben in Regen und Schlamm, unter Dreck und Entbehrungen jegliche Würde und Moral verliert. Doch Branagh hat auch bei Woody Allen gespielt, sogar dessen Alter Ego. Er hat Musicals gedreht, Theaterstücke geschrieben, er war in "Harry Potter" ebenso zu sehen wie in "Operation Walküre". Ein Multitalent.

Die Wallander-Filme, internationale Koproduktionen, die in den USA und Großbritannien mehrere Preise erhalten haben, sind zuweilen schön anzusehen wie ein impressionistisches Gemälde. Die karge Natur, die spröden Menschen stehen in direktem Kontrast dazu. Branagh macht aus dem 90-Minüter durch seine differenzierte Menschendarstellung ein spannendes Fernsehereignis.