Der Journalist empfiehlt Kollegen die Zusammenarbeit mit Bloggern und Bürgerjournalisten. Auf der Konferenz next09 auf Kampnagel war er der Star.

Hamburg. Der Provokateur sieht ziemlich normal aus. Er ist hoch aufgeschossen, schlank und hat graue Haare. Zur Bluejeans trägt der Mittfünfziger ein schwarzes Jackett. Das Auffälligste an ihm ist noch die neue Brille.

Jeff Jarvis wirkt wie ein Durchschnittstyp. Und doch war er der Star der vom Online-Dienstleister SinnerSchrader veranstalteten Internetkonferenz next09, die am Mittwoch auf Kampnagel zu Ende ging.

Das liegt an den steilen Thesen, die der US-Amerikaner vertritt: Er preist den Datenkraken Google, prophezeit amerikanischen Zeitungen ohne viel Mitleid den baldigen Untergang und ist sich sicher, dass künftig nie mehr jemand für journalistische Inhalte bezahlen wird. Nachzulesen ist das alles in seinem Buch "Was würde Google tun", das seit Ende April auch auf Deutsch vorliegt.

Jarvis ist gelernter Journalist. Das verleiht seinen Worten Gewicht. Derzeit unterrichtet er Journalismus an der City University of New York, verantwortet den Blog "BuzzMachine" und hat eine Kolumne im "Guardian".

Der 54-Jährige ist überzeugt davon, dass auch Journalisten von Google etwas lernen können: "Google hört auf die Leute", sagt er. "Google ist davon überzeugt, dass die Öffentlichkeit am besten weiß, was relevant ist." Das klingt so, als verlange er von den Journalisten mehr Demut.

Aber darum allein geht es ihm nicht: "Googles Produkte", fährt Jarvis fort, "entstehen im Zusammenspiel mit den Nutzern." So sollten auch Journalisten arbeiten. Denn bisher produzierten sie Zeitungen und Online-Portale ganz allein. "Die Rolle der Journalisten ändert sich. Sie werden redaktionelle Plattformen organisieren, für die auch Amateure wie Blogger und Bürgerjournalisten arbeiten." Die "New York Times" entwickele mithilfe seiner Studenten gerade eine solche Plattform. Der Beruf des Journalisten werde nicht aussterben.

Das ist tröstlich, denn das klassische Geschäftsmodell von Zeitungen hat laut Jarvis keine Zukunft. "Es wird immer jemanden geben, der Informationen umsonst anbietet", sagt er. Deshalb mache es keinen Sinn, für Inhalte Geld zu verlangen.

Medien sollten sich durch Werbung finanzieren. Auch der Verkauf von Produkten aller Art sei eine mögliche Erlösquelle. Ihm hat imponiert, dass die "Bild"-Zeitung, die wie das Hamburger Abendblatt zur Axel Springer AG gehört, 21 000 Videokameras verkauft hat. Er selbst habe "Bild"-Chef Kai Diekmann dazu inspiriert. Das Beste daran sei, dass die Leser mit den Kameras Inhalte für Bild.de produzierten.

Sein eigenes Buch hat Jarvis dagegen noch auf herkömmliche Weise unter die Leute gebracht. Er hat es nicht durch Werbung oder den Verkauf von Konsumgütern finanziert. Wer es im Laden ersteht, muss dafür wie für jedes andere Buch bezahlen.

Auch das Marketing für das Werk lässt sich bestimmt noch verfeinern. Auf der next09 lief Jarvis mit einem Anstecker am Revers herum, auf dem der englische Titel seines Buchs zu lesen war: "What would Google do?"