Einen großen Bogen über Schmerz, Schuld und Vergebung spannte zum Beispiel Regisseur Johan Simons mit der Inszenierung von Joseph Roths Roman “Hiob“.

Hamburg - Die zweistündige Aufführung der Münchner Kammerspielen, die wie im Lebenszeitraffer die Geschichte des armen, frommen Ostjuden Mendel Singer erzählt, der durch eine Kette harter Schicksalsschläge seine Demut verliert und rebellisch Gott abschwört, wurde vom Publikum mit lang anhaltendem Applaus gefeiert.

Kein Wunder. Schließlich zeigte die Inszenierung nicht nur großartige Charaktere - durch Stille, feine Töne und winzige eruptive Gesten - sondern auch wuchtige, großflächig gemalte Szenen. Und viele der Darsteller waren alte Bekannte in Hamburg. Allen voran André Jung, der als Hiob den armen, selbstgerechten Schtetl-Juden spielt, der sich spät im Leben und nach harten Prüfungen emanzipiert und dem Leben zuwendet.

Mendels Familie, das sind seine Söhne Jonas (Steven Scharf) und Schermajah (Edmund Telgenkämper), die vor der Enge zum Militär und nach Amerika fliehen, Tochter Miriam (Wiebke Puls), die die Männer zu sehr liebt, Ehefrau Deborah (Hildegard Schmahl) und der behinderte Sohn Menuchim (Sylvana Krappatsch).

Ausstatter Bert Neumann hat ein Karussell auf die Bühne gesetzt über dem die Worte "Birth", "Love" und "Death" prangen und das sich erst spät zu drehen beginnt. Man schaut ihm zu, sieht alle Heimsuchungen, Leiden und rasende Verzweiflung vorbeifliegen. Sieht dem Leben dabei zu, wie es sich dreht und am Ende ein Wunder dabei herauskommt. So ist das Leben ganz selten. Das Theater auch. (See)

Von Freuden, vom Leben in und Leiden an der globalisierten Welt gaben zwei Theaterarbeiten in der Gaußstraße eindrücklich, aber auch humorvoll Zeugnis. Über Angst, Demütigung und Terror nach Ende des Irak-Krieges am 1. Mai vor sechs Jahren berichtet eine junge Irakerin in "Bagdad brennt!". Sie ist Diplominformatikerin, 24 Jahre, hat einen Computer, spricht Englisch und veröffentlichte ein Internet-Tagebuch über das Chaos im Alltag. Es rückt das Schicksal einzelner Menschen bestürzend nahe und bietet eine persönliche "Innenansicht". Autor und Thalia-Dramaturg John von Düffel hat das 600-Seiten-Buch zu einem Monolog verdichtet. Alexander Hawemann inszenierte für das Theater Bielefeld mit Christina Huckle. Die Schauspielerin stürzt sich kopfüber in innere und äußere Tumulte, vergegenwärtigt zwischen Pappkartons und Papierblättern gehetzt den Überlebenskampf. (-itz)

Wurzellos fühlen sich auch die "Airport Kids": Sie richten sich in Frachtcontainern im Transportbereich eines Flughafens häuslich ein. Stefan Kaegi (Rimini Protokoll) und Lola Arias haben mit Kindern von Eltern in internationalen Konzernen über ihre Gedanken, Gefühle und Wünsche gesprochen und zu einer berührenden Szenen-Collage montiert. Heimat ist für sie ein Wort in mehreren Sprachen, sie haben es aber nie gefühlt. (-itz)

Um drei Brüder ohne Heim geht es auch in Juliane Kanns "The Kids Are Alright". Uraufführung, Schauspiel Stuttgart (5.2., 19.30 Uhr). (HA)