Berlin. Im Ausland zu arbeiten ist heutzutage keine Seltenheit mehr. Welche Regeln Arbeitnehmer dabei beachten müssen, erklärt eine Anwältin.

Urlaub und Arbeit sind zwei Dinge, die die meisten Menschen vermutlich nicht sofort miteinander in Verbindung bringen. Doch wieso eigentlich nicht? In einem fernen Land am Strand zu liegen und von dort aus Mails zu schreiben klingt verlockend und ist mit dem sogenannten Workation-Modell, einer Verbindung aus Arbeit (engl. work) und Urlaub (engl. vacation), alles andere als eine absurde Fantasie. In der Praxis versteht man unter Workation, dass der Arbeitsort an einen Urlaubsort verlegt wird. Doch wer hat überhaupt ein Anrecht auf dieses Arbeitsmodell? Was gilt es dabei aus versicherungstechnischen Gründen und aus arbeitsrechtlicher Sicht zu beachten?

„Einen Anspruch auf ein solches Arbeitsmodell haben Arbeitnehmer nicht“, macht Livia Merla, Fachanwältin für Arbeitsrecht der mgp-Kanzlei in Berlin, auf Anfrage unserer Redaktion klar. Denn die Arbeitgeberin oder der Arbeitgeber dürfe mittels seines „Direktionsrechtes“ den Arbeitsort nach „beliebigem Ermessen“ festlegen. Trotzdem würden, so Merla, inzwischen viele Arbeitgeber diese Möglichkeit des modernen Arbeitens anbieten. Gerade bei Berufen, bei denen mobile Arbeit möglich ist, werde das Arbeiten aus dem Ausland nämlich immer beliebter, wie die Fachanwältin erklärt. Das zeigen auch Umfragewerte: Wie aus einer repräsentativen Umfrage der Unternehmensberatung PwC hervorgeht, legen von den befragten Beschäftigten unter 40 Jahren rund 80 Prozent bei der Jobwahl großen Wert darauf, dass ihnen der Job die Möglichkeit des Workation-Modells bietet.

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Arbeiten im Ausland: Wann Beschäftigte weiterhin im Heimatland versichert sind

Wer sich über das Modell im Vorfeld jedoch nicht gut informiert, werde, so die Fachanwältin, „schnell mit steuerrechtlichen, ausländerrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen und Fragen das anwendbaren Rechts konfrontiert“. Eine Workation bedürfe daher viel Vorbereitung, wie Merla erklärt.

Ein wichtiger Aspekt sei zum Beispiel das Sozialversicherungsrecht. In dieser Hinsicht gelte laut Merla das sogenannte Territorialprinzip. Danach finde jenes Sozialversicherungsrecht Anwendung, das in dem Staat gilt, in dem die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer sich befindet, im Falle der Workation also im Ausland. Eine Ausnahme stelle jedoch die sogenannte Entsendung dar, die „auf Veranlassung des Arbeitgebers“ geschieht. In diesen Fällen könne eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden, so Merla, durch die der Arbeitnehmer bis zu maximal 24 Monaten am Sitz des Arbeitgebers weiterhin im Heimatland versicherungspflichtig bleibt und nicht im Ausland.

Mittlerweile werde „ein Großteil der Fälle“, bei denen die Initiative, im Ausland tätig zu sein, vom Arbeitnehmer ausgeht – so wie es bei der Workation meistens der Fall ist – aber sogar ebenfalls als Entsendung behandelt, wie die Fachanwältin erklärt. Eine Entsendebescheinigung, die bescheinigt, dass der Arbeitnehmer bereits im Heimatstaat sozialversichert ist und auch während der Entsendung dort versichert bleibt, müsse bei einer Entsendung innerhalb der EU dann aber stets mit herumgeführt werden.

Hat man ein Recht auf unbezahlten Urlaub?

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    Seit Juli dieses Jahres gelte für sogenannte Grenzgänge, also Arbeitnehmer, „die regelmäßig am ausländischen Wohnort remote und hin und wieder auch in Präsenz an einem deutschen Firmensitz arbeiten“, jedoch eine Ausnahmeregelung, wie Merla erläutert. Bislang sei es so gewesen, dass die Sozialversicherung des Wohnsitzlandes, also in diesem Fall im Ausland, einschlägig war, wenn der Beschäftigte dort mehr als 25 Prozent im Homeoffice arbeitet.

    Durch ein „multilaterales Rahmeneinkommen“ hätten sich zahlreiche Staaten der EU, des Europäischen Wirtschaftsraums und die Schweiz jetzt aber darauf geeinigt, diese Grenze zu erhöhen: Auf Antrag hin könne, so die Fachanwältin, daher auch bei Homeoffice von bis zu 49,99 Prozent weiter die Sozialversicherung des Staates des Arbeitgebers greifen. Wie Merla erläutert, könne dadurch zum Beispiel eine in Frankreich lebende Angestellte eines deutschen Unternehmens künftig mehr von zu Hause aus arbeiten, ohne den Verlust ihrer deutschen Sozialversicherung fürchten zu müssen.

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    Wer sich mit dem Thema Workation beschäftigt, setzt sich neben dem Versicherungsthema zwangsläufig noch mit einer anderen essentiellen Frage auseinander: Von welchem Land aus möchte ich eigentlich arbeiten? Das ist nämlich nicht nur für das persönliche Empfinden entscheidend, sondern auch für die rechtlichen Regelungen. Laut Merla spiele es vor allem eine Rolle, ob es sich um ein EU-Land oder ein Nicht-EU-Land handelt, in dem der Arbeitnehmer arbeiten möchte.

    „Jeder EU-Bürger hat aufgrund der EU-Freizügigkeit das Recht, ohne Visum in die Mitgliedstaaten der EU, des EWR, also die EU plus Island, Liechtenstein und Norwegen, und in die Schweiz einzureisen“, erläutert Merla. EU-Bürger hätten daher das Recht, sich dort aufzuhalten und einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Außerhalb der EU würden hingegen andere Regelungen gelten. Dort sei, so die Fachanwältin, oftmals eine Aufenthaltserlaubnis oder eine Arbeitserlaubnis erforderlich, und es müssten „die individuellen Einreisebestimmungen des jeweiligen Landes eingehalten werden“.

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    Besser nichts überstürzen: Wer schon vor dem offiziellen Ende seines bisherigen Arbeitsverhältnisses in einen neuen Job starten will, sollte klare Absprachen mit dem Arbeitgeber treffen. © Christin Klose/dpa-tmn
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    André Niedostadek ist Professor für Wirtschafts-, Arbeits- und Sozialrecht an der Hochschule Harz. © Tim Bruns/Hochschule Harz/dpa-tmn
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    Steuerliche Regelung im Ausland: Diese weitverbreitete Annahme ist falsch

    Ein weiteres wichtiges Thema bezüglich des Wokation-Modells ist natürlich die steuerliche Regelung. Hinsichtlicher dieser müssten „einige Fallstricke“ unbedingt beachtet werden, wie Merla erklärt. Denn die Auswirkungen von grenzübergreifendem Arbeiten würden sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer betreffen und könnten „mitunter schwerwiegend sein“, zum Beispiel wenn eine unbeabsichtigte Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte im Ausland vorliegt.

    Die gängige Annahme, dass bei einem Aufenthalt im Ausland von weniger als 183 Tagen, also rund einem halben Jahr, keine steuerrechtlichen Konsequenzen drohen würden, sei laut Merla außerdem falsch. Die steuerlichen Auswirkungen hingen von sehr „vielen weiteren Faktoren und etwaigen Abkommen zwischen den Ländern“ ab, deswegen sollten Workation-Interessierte sich auch bezüglich dieser Frage „im Vorfeld gut beraten lassen“, so die Fachanwältin für Arbeitsrecht.