Oder Elefanten? Oder Krokodile? Ein alter Streit um Zirkusse geht nach einem Gerichtsurteil in eine neue Runde.

Das Thema Tierschutz spaltet die Gemüter. Neulich hatten wir die Z-Frage am Wickel: Sollen Zirkusse weiterhin Elefanten, Raubkatzen, Bären, Kamele, Wölfe oder Krokodile mitführen dürfen? Oder sollen Wildtiere im Zirkus generell verboten werden? Der klassische Stadt-Veganer beruft sich auf Tierschutz-Gutachten, wonach die ständigen Ortswechsel und Käfighaltung zu Verhaltensstörungen führen und es gerade bei Wildtieren keine Dressur-Erfolge gebe, die nicht durch Zufügen von Schmerzen und Zwang erreicht würden. Zirkus-Fans dagegen argumentieren, dass die Zirkusse ja schon seit Jahren verpflichtet seien, den Tieren ausreichend Bewegungsraum in Paddocks einzuräumen. „Ach, und die Elefantenhaken und die Elektroschocks?“ „Moment, die Zirkusleute lieben doch ihre Tiere! Und soll denn der Zirkus ganz verschwinden?“ Tierschutz ist der Gute-Laune-Killer Nummer eins.

Ich gebe zu, dass ich von Elefantendressur herzlich wenig verstehe. Vom langen Weg zum Tierschutz schon etwas mehr. Deutschland rühmt sich dafür, in Sachen Tierschutz weltweit ganz vorne zu stehen: Seit 2002 hat das Wohlergehen von Tieren nach § 20 des Grundgesetzes Verfassungsrang. Klingt super. Dennoch muss jeder Fortschritt immer noch mühselig durchgefochten werden, mit vielen Kann-Bestimmungen und Übergangsfristen. Bei der dritten Änderung des Tierschutzgesetzes 2013 etwa hatte der Bundesrat zahlreiche Verbesserungen gefordert, auf Initiative Hamburgs auch ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen. Dazu konnten sich die Regierungsfraktionen im Bundestag aber nicht durchringen. Deshalb müssen Ferkel und Fohlen erst 2018 (statt 2017) bei Kastration oder Brandzeichen betäubt werden. Und Zirkusse dürfen weiterhin mit Tigern oder Nashörnern herumreisen.

Aber die öffentliche Meinung über Tierhaltung hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch gewandelt. Der Circus Roncalli erkannte 1975 als erster die Zeichen der Zeit und verzichtet ganz auf Tiere. Mehr als 70 deutsche Kommunen, darunter auch Norderstedt und Bad Bramstedt, haben inzwischen beschlossen, öffentliche Flächen künftig nicht an Zirkusbetriebe zu vermieten, die Wildtierarten wie Elefanten, Bären oder Giraffen mitführen. Jetzt könnte ein Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover diesen Trend wieder stoppen: Demnach darf die Stadt Hameln dem Zirkus Knie die Flächen nicht vorenthalten, weil der eine behördliche Erlaubnis für das gewerbliche Vorführen von Tieren hat. Ein Verbot müsste also schon der Bund regeln.

Fast alle großen Zoos haben mittlerweile umgerüstet und bieten ihren Tieren größere Erlebnisräume. Zirkusse haben es schwerer. Nur die vier großen – Krone, FlicFlac, Charles Knie und Carl Busch – können sich noch wechselnde Top-Artisten oder aufwendige Tierschauen leisten. Die letzten 250 kleinen Wanderzirkusse dagegen, allesamt Familienunternehmen, kämpfen ums Überleben. Manche führen noch Tiere im Rentenalter mit. Und die Öffentlichkeit reagiert heute ­sogar bei domestizierten Tieren empfindlich, wie die Proteste gegen eine Pony-Reitbahn auf dem Hamburger Dom 2016 zeigten. Die Reitbahn ist bei Kindern ungeheuer beliebt. Aber die Gegner fragen: Gehören Ponys ins Getöse eines Jahrmarkts?

Wir leben in einer Übergangszeit. Wenn Wölfe und Bären wieder in Naturparks angesiedelt werden, ändert sich auch der Blick auf Bären und Raubkatzen im Zirkus. Wildtiere können wir heute auch in TV-Dokus sehen. Verhaltensforschung und Genetik offenbaren uns immer mehr über die artspezifische Intelligenz von Tieren. Sie sind eben nicht nur zum Bespaßen der Menschheit da. Diesem Dilemma muss sich der Zirkus stellen. Müssen Großkatzen, Elefanten, Affen oder Krokodile in Käfigen herumreisen, um das Kulturgut Zirkus zu erhalten?

Auf der anderen Seite: Tierschutz darf nicht selektiv sein. Es ist leicht, auf einem kleinen Wanderzirkus herumzuhacken. Gleichzeitig werden in Geflügelfarmen Zehntausende gesunde Puten und Hühner wegen der Vogelgrippe mal eben an einem Tag getötet – rein vorsorglich. Wo bleibt denn da der Aufschrei?