Hamburg. Im April starb ein Mann bei einem Feuer in der Pension am Hauptbahnhof. Der mutmaßliche Brandstifter steht jetzt vor Gericht.

Am 20. April dieses Jahres, es ist kurz nach drei Uhr, erleben die noch schlaftrunkenen Gäste der kleinen „Pension am Hauptbahnhof“ den Alptraum ihres Lebens: Das Erdgeschoss ihres Hotels an der Ernst-Merck-Straße steht lichterloh in Flammen. Panisch flüchten die zehn Gäste, darunter auch der Täter, ins erste Obergeschoss. Eine andere Chance haben sie nicht: Durch das Feuer ist ihnen der Weg nach unten und damit auch der Weg ins Freie versperrt. Dichter Qualm nimmt ihnen die Luft zum Atmen. Ein Hotelgast ist so verzweifelt, dass er sich über einen Sims in das offene Fenster eines Nachbargebäudes in Sicherheit bringt.

Zehn Menschen – zwei Frauen und acht Männer – können schließlich von der Feuerwehr gerettet werden, alle werden mit Rauchgasvergiftungen ins Krankenhaus eingeliefert. Jede Hilfe zu spät kommt hingegen für einen 32 Jahre alten Arbeiter aus Bhutan, der in seinem Hotelzimmer erstickt ist. Wie sich wenig später herausstellt, war das Feuer vorsätzlich gelegt worden.

Ein Gutachter begleitet den Prozess

Und zwar von Thomas Z., einem 46 Jahre alten Mann aus dem niedersächsischen Löningen. Seit Dienstag steht er wegen Brandstiftung mit Todesfolge vor dem Schwurgericht. Laut Anklage soll er am 20. April, gegen 3 Uhr morgens, sein Zimmer verlassen und im Erdgeschoss mit einem Feuerzeug eine Textilmatte angezündet haben. Das Feuer war nach Angaben der Staatsanwaltschaft so stark, dass die Treppe, die Decken und die Eingangstür des Hauses sofort zu brennen begannen. Der Rauch verteilte sich im gesamten Gebäude, er zog bis hoch in den zweiten Stock, bis in Zimmer 24, wo der 32 Jahre alte Arbeiter aus Bhutan übernachtete. Der Mann erlitt die tödliche Kohlenmonoxidvergiftung vermutlich im Schlaf. Trotz sofortiger Wiederbelebungsmaßnahmen erlangte er nicht mehr das Bewusstsein. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Thomas Z. die Möglichkeit, dass jemand sterben könnte, „sträflich leichtsinnig“ außer Acht gelassen hatte.

Thomas Z. ist ein schmächtiger Mann mit ernstem Gesicht und ernsten Problemen. Nicht umsonst wird die Verhandlung von einem psychiatrischen Gutachter und einer Sachverständigen für Alkoholmissbrauch begleitet. Regungslos lässt der 46-Jährige die Worte der Anklagevertreterin über sich ergehen, dann erklärt sich Thomas Z., und am Ende ist sein Motiv für die schreckliche Tat doch nicht weniger rätselhaft: Musste tatsächlich ein Mensch sterben, weil Thomas Z. ein Kindheits-Trauma nicht verarbeiten konnte? Weil er im Schmerz immer wieder und wieder zum Alkohol griff, so auch in jener schicksalhaften Brandnacht von Hamburg?

So ist wohl die Einlassung des Angeklagten zu verstehen, verlesen wird sie von seiner Verteidigerin. Mit dem Zündeln begann Thomas Z. demnach zwei Jahre vor dem Feuerdrama, von Mitte 2014 an setzte er rund zehn Mülleimer und Papiercontainer in seiner Heimatstadt Löningen in Brand. Im Jahr darauf zündete er im Nordseehostel in Sande (Landkreis Friesland) ein Kinderbett an. Nur durch Zufall kamen keine Menschen zu Schaden. Immer sei er bei den Taten stark betrunken gewesen, immer sei der Grund für das Besäufnis sein Schmerz über den Tod der beiden geliebten Brüder gewesen, die bei zwei Verkehrsunfällen in den Jahren 1978 und 1985 ums Leben gekommen waren, so Thomas Z. Warum er überhaupt Dinge angezündet habe, verstehe er selber nicht – er erinnere sich nicht einmal mehr an alle Taten. Nach dem Tod des zweiten Bruders sei er der Alkoholsucht verfallen. Die Abhängigkeit habe schließlich sogar seine Ehe ruiniert. Seither versuche er, seine Abhängigkeit mit Therapien in den Griff zu bekommen – bisher ohne nachhaltigen Erfolg.

Der Angeklagte war zwei Wochen nach dem Feuer erstmals vernommen worden

Zwei Wochen nach dem Feuer in Hamburg war der Mann erstmals von den Brandermittlern vernommen worden. Unter Verdacht stand der 46-Jährige da aber noch nicht. Erst als die Beamten von weiteren Ermittlungen wegen Brandstiftung gegen Thomas Z. Wind bekamen, erhärtete sich der Verdacht gegen ihn. Als sie ihn dann am 3. Juni festnahmen, räumte er gleich sämtliche Taten ein – auch die Brandstiftung in Hamburg. Der 46-Jährige sitzt seitdem in Untersuchungshaft. „Ich bedauere zutiefst, dass durch mein Verhalten ein Menschen gestorben ist“, sagt Thomas Z. am Dienstag. „Das wollte ich nicht, aber ich habe nicht einmal an die Möglichkeit gedacht, dass jemand durch meine Tat sterben könnte.“

Der Fall ist umso tragischer, weil nach Überzeugung der Feuerwehr das Schlimmste hätte verhindert werden können, wenn es in der kleinen Pension Rauchwarnmelder gegeben hätte. Weil alte Pensionen mit kleiner Bettenzahl jedoch nach einer Vorschrift „Bestandsschutz“ genießen, müssen dort die lebensrettenden Geräte nicht installiert werden. Aus Sicht der Feuerwehrleute, die an dem Einsatz beteiligt waren, ist das eine Katastrophe. „Wären Rauchwarnmelder eingebaut, hätten sie durch lautes Piepen rechtzeitig Alarm schlagen können“, sagte ein Feuerwehrbeamter dem Abendblatt damals.

Ob das Fehlen der Geräte auch in dem Prozess eine Rolle spielen wird, ist unklar. Bisher sind vier weitere Verhandlungstage geplant. Ein Urteil wird nicht vor dem 8. November erwartet.