Berlin .

Restaurantgäste bekommen Billigware als hochwertige Kost untergejubelt, Fertiggerichte stehen als „hausgemacht“ auf der Karte: Die Verbraucherzentrale Hamburg warnt vor solchen Schummeleien. Und erst kürzlich wurde bekannt, dass die Restaurantketten Vapiano und Gosch ihren Kunden günstige Garnelen statt Scampi vorsetzten. Der ehemalige Hamburger Sternekoch Christian Rach, 58, bekannt durch die RTL-Serie „Rach, der Restauranttester“, kennt solche Probleme. Er erklärt, worauf Kunden achten können, warum sie sich manchmal auf einen Restaurantbesuch vorbereiten sollten und Gastronomen mehr Vertrauen verdienen.

Hamburger Abendblatt: Müssen Restaurantgäste mit Betrug rechnen?

Christian Rach: Nein. Momentan findet eine Kriminalisierung der Gastronomie statt, es wird nach verschärften Regeln gerufen, Köche füllen Papierkram aus, statt zu kochen. Man sollte nicht mit der Einstellung essen gehen: „Heute werde ich übers Ohr gehauen“, sondern um eine schöne Zeit zu verbringen.

Das heißt, die Scampi-Vorfälle sind kein grundsätzliches Problem?

Rach: Zumindest nicht in diesem Fall. Es hat sich eine Vermischung der Sprache durchgesetzt. Scampi ist mittlerweile ein universelles Wort für Krustentiere. Der deutsche Begriff ist eigentlich Kaisergranat, aber das Wort kennt kein Mensch.

Den Restaurants ist also gar kein Vorwurf zu machen?

Rach: Vapiano und Gosch wissen, was sie tun. Das war so nicht in Ordnung. Aber ich glaube nicht, dass in betrügerischer Absicht gehandelt wurde oder um zu sparen, sondern es wurde der landläufige Begriff verwendet, unter dem sich die meisten etwas vorstellen können.

Haben die Kunden nicht zu viel bezahlt?

Rach: Ein Salat mit nur drei wild gefangenen Kaisergranaten dürfte nicht unter 38 Euro kosten (Das Vapiano-Gericht mit den als Scampi verkauften Garnelen, mittlerweile umbenannt in Gambaretti, kostet laut Karte 9,50 Euro, Anm. d. Red.). Über die Qualität der Garnelen, die serviert wurden, kann ich nichts sagen. Der wahre Betrug wäre, wenn gezüchtete Tiere als wild gefangen verkauft würden, denn die gezüchteten sind mit Antibiotika verseucht.

Gibt es noch andere Beispiele, bei denen Sie von Betrug sprechen würden?

Rach: Analogkäse – ein Käseimitat –, Schafskäse, der nicht aus Schafsmilch besteht, oder angeblich selbst gemachter Kuchen, der eigentlich aus der Tiefkühltruhe kommt. Ein häufiges Beispiel ist auch Büffel-Mozzarella. Wenn Sie eine Pizza für drei Euro bekommen, ist da kein echter Büffel-Mozzarella drauf, auch wenn es so auf der Karte steht.

Kommt so etwas oft vor?

Rach: Wie oft so etwas vorkommt, kann man nicht schätzen. Natürlich wird in der Gastronomie auch geschummelt, ich habe das bei meiner Arbeit (als Restauranttester) auch schon gesehen, aber das lässt sich schwer fassen. Verbraucher haben oft falsche Vorstellungen davon, was ein Produkt realistisch kosten muss, das sollte von Restaurantbesitzern nicht ausgenutzt werden.

Was heißt das konkret?

Rach: Ein Rinderfilet in Bioqualität ohne Massenhaltung ist nicht für 12,80 Euro möglich, auch wenn einige Verbraucher das schon als teuer empfinden.

Der Preis als wichtigster Anhaltspunkt.

Rach: Natürlich ist nicht alles, was teuer ist, automatisch gut. Aber Verbraucher sollten sich vorher ein Bild davon machen, wie viel ein Gericht kosten kann und muss, wenn es nachhaltig, bio oder besonders hochwertig sein soll.

Wie kommt denn ein Preis zustande?

Rach: Ein Beispiel wäre die Seezunge. Gute Produkte kosten etwa 40 Euro pro Kilogramm, die sind dann wild und nicht mit dem Schleppnetz gefangen. 600 Gramm wäre eine Portion, von der man satt wird. Die würde etwa 24 Euro kosten. Damit der Gastronom auch Personal und andere Kosten decken kann, veranschlagt das Finanzamt einen Aufschlag von 300 bis 400 Prozent auf diesen Preis. Eine gute Seezunge dürften Sie im Restaurant also eigentlich nicht für unter 100 Euro bekommen.

Wie erfährt ein Kunde diese Hintergründe?

Rach: Er sollte nachfragen, wenn er wissen möchte, woher ein Produkt kommt.

Was tun, wenn man dennoch Zweifel hat?

Man sollte sich die Produkte zeigen lassen. Dann muss man natürlich das Originalprodukt auch kennen. Wer zum Beispiel schon mal Scampi gegessen hat, kann sie auch von Garnelen unterscheiden, wenn er sie gezeigt bekommt.

Wie sieht es mit Belegen aus?

Rach: Belege und Quittungen sind in der Küche aus hygienischen Gründen nicht erlaubt. Um solche Hintergrundinfos zu katalogisieren, bräuchte man zusätzliches Personal. Das bedeutet mehr Kosten und am Ende teureres Essen.

Was kann der Kunde tun, wenn er sicher ist, dass er beschummelt wird?

Rach: Dann muss der Gastronom Farbe bekennen. Kann er nicht beweisen, dass er da hat, was auf der Karte steht, ist das Vortäuschung falscher Tatsachen. Kunden sollten dann nicht über den Preis verhandeln, sondern schlicht etwas anderes bestellen. Das Gericht vorher halb aufzuessen, geht dann aber natürlich nicht. Der Kunde sollte sich seiner Sache aber wirklich sicher sein.

Die Verantwortung liegt also beim Kunden?

Rach: Bei Transparenz und Offenheit ist der Gastronom in der Plicht. Er muss alles so transparent erklären, dass der Verbraucher es versteht. So entsteht auch kein Misstrauen.