Für den Einstieg in den Job brauchen Absolventen unbedingt Praxiserfahrung

Über die Anforderungen an junge Architekten sprach Birte Schmidt mit Thomas Welter, Geschäftsführer des Bunds Deutscher Architekten.

Berliner Morgenpost: Stimmt es, dass das Berufsbild des Architekten im Wandel ist?

Thomas Welter: Ja, tatsächlich gibt es verschiedene Tendenzen. Zum einen ist der gesellschaftliche Anspruch an das Bauen gestiegen. Gebäude sollen heute demografiefest sein, das bedeutet, dass auch älter werdende Menschen gut in ihren Wohnungen weiterleben können. Vor allem aber ist Planen und Bauen wesentlich kom­plexer geworden. Das hat verschiedene Gründe, eine verschärfte Ordnungspolitik zum Beispiel. Es gibt rund 2000 Normen, und ein normaler Architekt muss etwa 500 davon beherrschen. Teilweise widersprechen die sich inzwischen sogar, weil sie so stark ausdifferenziert sind.

Welche Folgen hat das für den einzelnen Architekten?

Bauen ist heute so komplex, dass eine einzelne Person es gar nicht mehr leisten kann, bei größeren Projekten den Überblick zu behalten. Und das wird höchstwahrscheinlich dazu führen, dass die Digitalisierung weiter voranschreiten wird. Jeder Architekt arbeitet natürlich heutzutage nach einer ersten Handskizze mit EDV, Pläne werden zwei- oder dreidimensional am Computer erstellt. Das ist normal, aber der Prozess muss auch stärker digital strukturiert werden.

Worin besteht das Problem für Berufseinsteiger?

Studenten lernen früh, Planungen EDV-unterstützt zu erstellen. Diese Kenntnisse sind daher bei Studierenden nicht das Problem. Weil nach der Umstellung auf Bachelor und Master das Studium aber viel verschulter geworden ist, arbeiten angehende Architekten in dieser Zeit heute deutlich weniger nebenher in Planungsbüros. Deshalb ist es für junge Leute so schwierig, schnell genug berufspraktische Erfahrungen zu sammeln.

Würde es sich da nicht lohnen, das Studium eine Weile zu unterbrechen und sich ganz praktisch in diesen Bereich einzuarbeiten?

Ja, denn mittlerweile ist der Markt für Architekten stark ausdifferenziert und die Jobchancen sind sehr unterschiedlich. Praxiszeiten sind wichtig, damit Studierende erfahren, worauf es im Studium wirklich ankommt und wo sie gute Leistungen bringen müssen, damit sie später im Beruf erfolgreich sind. Der Architekturberuf ist immer noch ein Neigungsberuf. Die Leute, die Architektur studieren, haben große Lust zu entwerfen. Und natürlich lernt man das im Studium ebenso wie die städtebauliche Einbindung, denn beides ist Grundvoraussetzung für den Beruf. Aber am Ende treffen diese Leute dann gemeinsam mit vielen anderen auf einen kleinen Arbeitsmarkt. Und das Entwerfen macht im Tätigkeitsfeld eines Architekten gerade einmal zehn Prozent aus.

Wie erhöhen Absolventen ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt?

Das lässt sich auf eine einfache Formel bringen: Je praktischer und bautechnischer das Erfahrungswissen ist, desto besser sind die Chancen. Je entwurfslastiger das Erfahrungswissen ist, desto schlechter sind die Chancen. Und das spiegelt sich auch in unterschiedlichen Gehältern wider. Wer nach dem Studium Erfahrung in Ausführungsplanung hat, also in Ausschreibung, Vergabe, Bauüberwachung, der wird es viel leichter haben, einen Job zu finden.