Erlangen.

Wer schaut mich an? Ist das ein trauriger oder ein fröhlicher Mensch? Dieses Einschätzen des Gegenübers fällt Autisten oft schwer. Ihnen könnte eine Software helfen, die Jens Garbas vom Erlanger Fraunhofer-Institut entwickelt hat. Mit mehr als 30.000 Bildern, die Menschen unterschiedlichen Alters, Geschlechts und mit verschiedenen Gesichtsausdrücken zeigen, wurde das Programm gefüttert.

Dazu gehören etwa Mimiken wie nach oben stehende Mundwinkel oder weit aufgerissene Augen. „Mit diesen Gefühlsausdrücken konnte der Computer lernen, welche Merkmale für bestimmte Gefühle stehen“, sagt Garbas. Die Position von Augen, Nase und Mund sowie Neigung und Drehung des Kopfes analysiert das Programm und filtert anschließend ein Gefühl heraus.

Ärger, Trauer, Freude und Überraschung sowie generell positive und negative Emotionen werden so erkannt. In der Anwendungsphase vergleicht der Rechner die gelernten Merkmale mit einem realen Gegenüber. „Emotionen können so auch bei neuen, unbekannten Gesichtern erkannt werden“, sagt der Wissenschaftler. „Shore“ – kurz für: Sophisticated high speed object recognition engine – heißt die Software, die bei der Gefühlserkennung eine Trefferquote von 94 Prozent hat. Die Software wurde bereits in eine Datenbrille eingebaut. Der Träger einer solchen Brille sieht verschiedene Balken, dahinter emotionale Begriffe. Lächelt die angeschaute Person, füllt sich beispielsweise der Balken für „Happy“ mit roter Farbe.

Das Programm könnte auch der Werbebranche oder Autofahrern helfen

„Für einen Autisten ist es anstrengend, gleichzeitig nach unten zum Balken zu schauen und dem Gegenüber zu antworten. Dieses Multitasking ist schwierig“, sagt Isabel Dziobek, Leiterin des Instituts für Psychologie an der Berliner Humboldt-Universität. Sie arbeitet mit dem Programm und möchte es vereinfachen. Außerdem sei ein Problem, dass sich Gesichtsausdrücke in Sekundenschnelle ändern – und damit das, was die Datenbrille anzeigt. Gut erkennt das Programm aber BasisEmotionen wie Freude und Angst. Sich auf diese Grund-Emotionen zu fokussieren üben Autisten in Trainingsprogrammen. „Andere Gefühle wie Eifersucht oder Schuld sind schwieriger zu erkennen, zumal sie eine stärkere, individuelle Note haben“, erklärt Dziobek.

Die Autismusforschung mit den neuen Programmen stecke noch in den Anfängen. „Es wird Jahre dauern, bis konkrete Ergebnisse vorliegen“, betont die Berliner Wissenschaftlerin.

Das Programm des Erlanger Fraunhofer-Instituts könnte nicht nur für Autisten nützlich sein. Garbas sieht weitere Anwendungsmöglichkeiten, etwa um zu messen, wie Menschen auf Werbefilme reagieren: „Wenn Zuschauer danach böse schauen, hat der Spot seine Wirkung verfehlt.“ Auch in Einkaufszentren lasse sich das Programm einsetzen. Denn die App zeigt zusätzlich Geschlecht und ungefähr das Alter an. So erfährt ein Ladenbesitzer, ob Mann, Frau, Jugendlicher oder Senior ins Schaufenster guckt. Denkbar ist zudem ein Einsatz im Auto. Die Augenfeinanalyse registriert, wenn der Fahrer einzuschlafen droht.

Eines aber kann Garbas Software nicht: Konkrete Menschen identifizieren. Alle Berechnungen würden nur in der App stattfinden, und es würden keine Daten gespeichert. Rückschlüsse auf bestimmte Nutzer seien damit auch ausgeschlossen, versichert er.