Wedel. Die Mitarbeiter der Wedeler Tafel verteilen Lebensmittel, die Geschäfte aussortiert haben. Es ist das Engagement für Bedürftige, das die Helfer glücklich macht

Die Schlange der Wartenden zieht sich bis weit auf den Bürgersteig und die Straße hinunter. Darin Rentnerinnen, die allein gekommen sind, eine Gruppe junger Männer, die sich die Zeit mit einem kleinen Plausch verkürzt, Paare, die mit ihren Kindern anstehen. Niemand drängelt, keiner wird laut, alle wissen offenbar, wann sie dran sind. An einem Mittwoch zu Besuch bei der Wedeler Tafel in der Bahnhofstraße 27: Es ist der Tag, an dem die gespendeten Waren an rund 300 Kunden ausgegeben werden.

Im Haus, in dem die ehrenamtlichen Helfer an zwei langen Tresen Lebensmittel, darunter Kartoffeln, Joghurt, Eier, Radieschen, Äpfel, Brötchen oder Bananen ausgeben, zeigt sich ein ähnliches Bild: Menschenschlangen schlängeln sich rund um die große Treppe in der Mitte des Raumes, ältere Leute, die auf einer der vier grünen Bänke Platz genommen haben oder andere, die in der Zwischenzeit in den ersten Stock des Gebäudes gehen, um dort bei Kuchen und Kaffee gemütlich die Zeit zu überbrücken. „Ja, hier ist wieder viel los“, freut sich Karin Kost und schaut in die Runde, lauscht dem bunten Stimmengewirr in Deutsch, Griechisch, Persisch und vielen anderen Sprachen. „Ein Mikrokosmos für sich ist das hier, mit Menschen aus den verschiedensten Ländern, die sich alle respektieren und verstehen.“ Seit März ist die 50-Jährige Vorsitzende der Wedeler Tafel. Ein Amt, das sie von Hartwig Ihlenfeld übernommen hat. Vor acht Jahren hatte der ehemalige Jurist die Einrichtung ins Leben gerufen, und so ganz kann er sich auch heute nicht davon trennen.

„Ich helfe den ehrenamtlichen Mitarbeitern gern, zum Beispiel am Ausgabetag“, erzählt der 75-Jährige, während er sich eine der mittlerweile leeren grünen Kisten schnappt, aus der gerade das letzte Bund Radieschen an eine Kundin verteilt worden ist. Eine Erhebung, so Ihlenfeld, habe 2006 ergeben, dass in Wedel der Bedarf einer Tafel gegeben sei. „Die müssten wir ins Leben rufen, habe ich mir da gedacht – und so ist es gekommen. Zum Glück haben mich sowohl die Stadt und auch die Unternehmen sehr gut unterstützt bei dem Vorhaben“, erinnert sich der Rentner, der sich nunmehr für die Flüchtlinge in Wedel einsetzt.

An den zwei Ausgabetresen verteilen die Helfer braune Papiertüten, die mit Brot, Obst und Gemüse zum Teil schon vorgepackt sind. Die Menge richtet sich danach, ob der Kunde für sich alleine oder für eine ganze Familie die Lebensmittel abholt. 50 Cent kostet die Tüte, Kinder zahlen nichts.

„Verhindern, dass Lebensmittel, die nicht mehr verkauft werden können, von den Läden weggeworfen werden“, lautet das Credo der Tafel. Jeden Tag in der Woche fahren die Mitarbeiter zu den Supermärkten, Bäckereien oder Discountern, die die Einrichtung mit Lebensmittelspenden unterstützen. Karin Kost war mit ihrem Kollege Olaf Henneke am Vortag unterwegs, drei Discounter klapperten sie mit dem weißen Tafelbus ab. Doch eigentlich ist die zweifache Mutter, die sich früher stark im politischen Bereich engagierte, ständig für die Tafel unterwegs. Ihre Familie trägt das mit, „anders ginge so ein Ehrenamt gar nicht“, weiß Kost. Es mache ihr Spaß, sich zu engagieren, sagt die gebürtige Ostfriesin. Jeden Mittwoch ab 14 Uhr, wenn die Kunden kommen, das sei das Ziel, auf das die rund 80 ehrenamtlichen Helfer hinarbeiten. „Und für das ganze Engagement bekommt man umso mehr zurück, die vielen schönen Gespräche, die Begegnungen mit den unterschiedlichsten Menschen jeden Alters, jeder Nation – das ist sehr schön, und das macht mich sehr glücklich.“ Nun hoffen Kost und ihr Team, dass sie noch weiter in ihren derzeitigen Räumen bleiben können, bis eine Alternative gefunden ist. Das Haus in der Bahnhofstraße 27 soll verkauft werden, im Spätsommer soll die Entscheidung fallen.

Mittwochs ab 14 Uhr kann sich jeder, dessen Nettoeinkommen nicht mehr als 1200 Euro beträgt, bei der Wedeler Tafel registrieren lassen. Die Lebensmittel werden von 15.20 Uhr bis 17.30 Uhr ausgegeben. Wer das Team als Fahrer unterstützen möchte oder im Café ehrenamtlich die Kinderbetreuung übernehmen möchte, wendet sich unter Telefon 04103/143 59 an Karin Kost.