Im August 2014 feiert Helge Schneider seinen 60. Geburtstag. So viel weiß man. Die junge Regisseurin Andrea Roggon wollte noch mehr Geheimnisse lüften, eine Dokumentation über einen Künstler sollte ihr Debütfilm werden. Doch leider sabotiert der Beobachtungsgegenstand die gut gemeinten Bemühungen, wo er nur kann. Er hockt missmutig in einem Ruderboot auf der Ruhr und ätzt: „Jetzt hast du wieder eine tolle Stelle für deinen blöden Film.“ Verbittet sich private Fragen mit der Bemerkung: „Von van Gogh möchte man auch nicht wissen, wie er einkaufen gegangen ist.“ Höhepunkt der Unverschämtheit ist ein Interview-Versuch, bei dem der Gesprächspartner nach nur einer Frage das Set verlässt.

Gerade diese Szene steht aber sinnbildlich für das erfolgreiche Verunglücken von „Mülheim – Texas“, denn sie sagt eigentlich alles über den Porträtierten und sein Verhältnis zu Form, Timing und Improvisation aus. „Mich interessiert deine Freiheit“, raunt die Regisseurin aus dem Off, um den Widerborstigen aus der Reserve zu locken. Der aber antwortet nur: „Die muss man sich nehmen“ und geht entschlossen aus dem Bild. Ihren Witz entfaltet die Sequenz dadurch, dass Roggon vorher gezeigt hat, was im Normalfall nicht zu sehen sein sollte: das ewig lange Einrichten des Sets, wo Licht, Ton und Kostüm peinlich genau abgestimmt werden.

Dieses Spiel mit der Inszenierung durchzieht den ganzen Film, der den Untertitel „Helge Schneider hier und dort“ nicht nur deshalb trägt, weil das Filmteam den Komödianten in seiner Heimatstadt, in Spanien, auf Deutschland-Tour oder bei seinen Bildungsfernseh-Verstörungen an der Seite von Alexander Kluge begleitete. Schneider ist einfach nicht zu fassen. Ständig spielt die gerissene Witzfigur eine Rolle, was irgendwann dazu führt, dass man zwischen Realität und Albernheit nicht mehr zu unterscheiden vermag.

Dem Menschen Schneider kommt Roggon nicht wirklich näher. Wohl aber dem Künstler. Etwa wenn die Kamera festhält, wie Schneider als unerbittlicher Dirigent seine Mitmusiker bei den Proben an den Rand der Verzweiflung treibt mit der Forderung, auf seine bewussten Fehlleistungen gedankenschnell zu reagieren. „Ich bin Perfektionist“, sagt Schneider, „ich definiere meine Perfektion aber selbst. Ein perfekt unperfekter Tisch, der wackelt, der sorgt für Bewegung.“ Vor diesem Hintergrund ist Roggons Debüt ein adäquates Schneider-Porträt: ein Dokumentarfilm über einen gescheiterten Dokumentarfilm.

Mülheim Texas – Helge Schneider hier und dort D 2015, 89 Minuten, ohne Altersbeschränkung, Regie: Andrea Roggen, Darsteller: Helge Schneider, täglich im Abaton, Studio, Zeise (Kinos und Spielzeiten finden Sie hier)