Deutschlands Tischtennis Superstar Timo Boll schlägt an diesem Freitag in Hamburg auf. An ein Karriereende denkt er noch lange nicht.

Timo Boll ist ein wenig spät dran. Sein Zug nach Hamburg hatte Verspätung. Zum Interviewtermin mit dem Abendblatt erscheint der 33 Jahre alte deutsche Tischtennisstar daher direkt vom Bahnhof. „Jetzt brauche ich erstmal einen Kaffee und ein Stück Kuchen“, sagt Boll. An diesem Freitag tritt der Linkshänder aus Erbach im Odenwald mit Borussia Düsseldorf in der Hamburger O2 World zum Bundesligaspitzenspiel gegen den TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell an. Boll, ehemaliger Weltranglistenerster und sechsfacher Einzel-Europameister, freut sich auf das Gastspiel im Volkspark.

Hamburger Abendblatt: Herr Boll, ich habe als Kind Tischtennis gespielt. Stimmt meine Griffhaltung noch?

Timo Boll: Das sieht doch noch gut aus (nimmt sich auch einen Schläger). Ich würde allerdings noch ein bisschen weiter umgreifen und den Daumen noch ein wenig weiter hochlegen.

Sie spielen mit dem sogenannten Shakehand-Griff. Mein Jugendtrainer hat immer gesagt: Wenn du richtig gut werden willst, musst Du die asiatische Penholder-Haltung lernen.

Boll: Der Welt- und Olympiasieger spielt Shakehand. Aber es gibt auch viele Penholder. Früher hat man gesagt, dass man etwas mehr Spiel mit dem Handgelenk hat bei der Penholderhaltung. Aber da tut sich nicht mehr so viel. Für mich war der Griff immer etwas unstabil.

Wenn ich von nun an jeden Tag wie ein Verrückter trainieren würde, könnte ich es noch zu den Olympischen Spielen 2024 schaffen?

Boll: Definitiv nicht. Quereinsteiger gibt es im Tischtennis kaum. Wer mit zehn Jahren noch nicht angefangen hat, für den ist der Zug zur absoluten Weltspitze abgefahren. Da muss man schon extrem viel Talent haben. Die Technik kann man nicht mehr aufholen.

Wäre Olympia 2024 für Sie noch ein Fernziel?

Boll: In Hamburg, oder? Ich habe immer gesagt, 2020 ist nicht unmöglich. Aber ich konzentriere mich erst mal auf die Qualifikation für Rio 2016. Bis 2024 ist noch lange hin. Ich würde mich natürlich freuen, wenn Olympia in Deutschland stattfindet und drücke Hamburg die Daumen. Aber auch Berlin hätte international gute Möglichkeiten. Ich bin da loyal.

Eine olympische Einzelmedaille fehlt noch in Ihrer Sammlung. Ist das die Zielsetzung für die Spiele in Rio de Janeiro im kommenden Jahr?

Boll: Das wäre noch mal ein Highlight. Im Einzel war bislang immer der Wurm drin, vor allem in London 2012. Da war ich blockiert. Ich würde mir selbst gerne beweisen, dass ich die Blockade überwinden kann. Ich habe immer noch das Potenzial, zu den besten drei der Welt zu gehören.

2004 haben Sie im Viertelfinale gegen den Schweden Jan-Ove Waldner verloren, der dann mit 41 Jahren Bronze gewann. Das Alter dürfte Sie motivieren.

Boll: Es ist gut zu sehen, dass man auch im sehr hohen Alter noch richtige Topleistungen bringen kann. Für mich war das damals eine meiner bittersten Niederlagen. Der Chance trauere ich immer noch ein bisschen nach. Aber das gehört zu einer Karriere dazu.

Waldner war es auch, der Ihren morgigen Gegner zu einer Spitzenmannschaft gemacht hat.

Boll: Das war 2005 ein Riesentransfer. Er hat viele Sponsoren und Zuschauer angelockt. Ohne ihn wäre Fulda nicht das, was es heute ist.

Was können die Hamburger an diesem Freitag vom Spitzenspiel Düsseldorf gegen Fulda erwarten?

Boll: Es ist das große Duell der beiden Topvereine in den vergangenen Jahren. Es war immer ein hitziger Kampf gegen Fulda. Wir müssen immer am Limit spielen, um sie zu schlagen. Ein besseres Duell gibt es in der Liga nicht.

5000 Zuschauer sind auch für Sie nicht der Alltag.

Boll: Das kommt nicht häufig vor. Es ist eine tolle Sache, dass wir hier wahrscheinlich den Zuschauerrekord brechen.

In Deutschland wird Tischtennis eher auf dem Schulhof oder im Partykeller gespielt. Bedauern Sie die geringe TV-Präsenz?

Boll: Es war immer mein Ziel, den Sport populärer zu machen. Vielleicht bin ich nicht extrovertiert genug, damit aus Tischtennis ein Mediensport wird. An der Attraktivität des Sports liegt es nicht. Das Spiel in Hamburg ist ein guter Schritt, um das verstaubte Image abzulegen und aus Tischtennis eine Eventsportart zu machen. In China funktioniert das ja auch.

Dort sind Sie ein Superstar, gehören zu den populärsten Deutschen.

Boll: Für mich ist China als Markt wichtig, damit ich von meinem Sport leben kann. Persönlich ist es nicht immer einfach dort, weil man wenig Privatleben hat und sich immer abducken muss, wenn man rausgeht. Ungestört zu sein, ist in China kaum möglich. In Deutschland kann ich ein normales Leben führen.

Sie sind mittlerweile Vater einer kleinen Tochter. Zoey Malaya ist inzwischen ein Jahr und zwei Monate alt. Hat sich Ihr Leben stark verändert?

Boll: Ich hätte gedacht, der Einschnitt wäre größer. Das liegt vielleicht auch daran, dass meine Tochter sehr pflegeleicht ist und meine Frau das gut im Griff hat (lacht). Ich versuche meine Trainingszeiten zu optimieren, damit ich häufiger zu Hause sein kann. Meine Familie, der Hund und die Katze sind dafür dankbar.

Sie spielen Tischtennis, seit Sie vier Jahre alt sind. Geht Ihnen das Pingpong-Geräusch nie auf die Nerven?

Boll: Wenn man sieben Monate am Stück ohne Pause Wettkämpfe bestreitet, kommt der Punkt, an dem man sich überspielt fühlt. Dann nehme ich mir die Pausen. Ich kann gut nachvollziehen, dass viele Sportler schnell einen Burn-out bekommen. Da muss man höllisch aufpassen.

Haben Sie zu Hause bei Ihrer Frau Rodelia und Tochter Tischtennis-Verbot?

Boll: Ich musste mir notgedrungen eine Outdoor-Platte anschaffen. Meine Kumpels wollten das, damit sie zocken können, wenn sie mal zum Grillen kommen. Trainiert wird zu Hause aber nicht.

Vor einem Jahr haben Sie zusammen mit Dimitrij Ovtcharov der 93 Jahre alten Preetzerin Inge-Brigitte Herrmann die Reise zur Senioren-Weltmeisterschaft nach Neuseeland spendiert. Sehen wir Sie in dem Alter auch noch mit Schläger in der Hand?

Boll: Solange mein Körper noch nicht streikt, mache ich weiter. Frau Herrmann hat sich damals riesig gefreut und einen ganz rührenden Brief geschrieben. Wenn ich mit 93 noch so fit bin, stehe ich wahrscheinlich auch noch an der Platte.