Das wird zäh. Nur Schritt für Schritt kann das Gericht den „Schwarzen Donnerstag“ erhellen. Doch wer ist dafür verantwortlich, dass 2010 der Polizeieinsatz im Schlossgarten eskalierte und mehr als 100 Menschen verletzt wurden?

Stuttgart. Die Räumung des Schlossgartens für das umstrittene Bahnprojekt Stuttgart 21 ist nach Aussagen der zwei angeklagten Polizeiführer aus dem Ruder gelaufen. Ursprünglich sollten mehr Polizisten eingesetzt und diese möglichst geheim im Sonderzug zum Einsatz am Hauptbahnhof gebracht werden, berichteten die beiden Polizisten am Mittwoch im Wasserwerfer-Prozess vor dem Landgericht Stuttgart. Die Polizei hatte am 30. September 2010 den Auftrag, den Schlossgarten für eine Baumrodung zu räumen. Die Aktion eskalierte. Nach Angaben des Innenministeriums wurden am sogenannten Schwarzen Donnerstag 130 Demonstranten und 34 Polizisten verletzt. Projektgegner sprechen bis heute von weit höheren Zahlen. Die Polizeiführer stehen wegen fahrlässiger Körperverletzung im Amt vor Gericht.

Konzept „über den Haufen geworfen“

Das ursprüngliche Konzept sei vom damaligen Stuttgarter Polizeichef Siegfried Stumpf aber am Tag davor über den Haufen geworfen worden, sagten die beiden Angeklagten. Zudem sei der Einsatz um fünf Stunden vorverlegt worden, auch weil der für 15.00 Uhr geplante Beginn des Polizeieinsatzes im Internet bekanntgeworden war. Statt 600 seien ihnen im Schlossgarten nur 500 Polizisten zur Verfügung gestellt worden. Diese seien aber zum Teil aus Bayern angereist und nicht wie geplant komplett innerhalb weniger Minuten in den Park gekommen, um die Gitterlinie für die anstehenden Baufällarbeiten aufzustellen.

Die Einsatzleitung unter der Führung von Stumpf habe auch entschieden, Wasserwerfer zu positionieren. Widerspruch innerhalb der Polizei habe es nicht gegeben. „Stumpf machte deutlich: Wir gehen um 10 Uhr in den Park“, sagte einer der Angeklagten. Der andere sagte: „Wenn das mein Auftrag ist, dann muss ich das so tun.“

Rolle der Angeklagten unklar

Welche Rolle spielten die beiden Angeklagten damals? Welches Mitspracherecht hatten sie? Wer hat wann, was geplant und entschieden? Mit diesen Fragen musste sich das Gericht befassen. Teils konnten sich die beiden Angeklagten aber nicht mehr im Detail an Gespräche erinnern, unter dem Strich gaben sie die Verantwortung für die Eskalation des Einsatzes aber nach oben ab: Alle entscheidenden Vorgaben und Planungen seien vom Stuttgarter Polizeichef Stumpf gekommen.

Die beiden Angeklagten verwiesen darauf, dass sich Stumpf für eine „Ad-Hoc-Lage“ entschieden habe, also einen kurzfristig geplanten, spontanen Einsatz. Die Planung sollte sich nicht unter den Projektgegnern herumsprechen. Die Angeklagten erfuhren zwei Tage vorher, dass sie den zentralen Abschnitt im Schlossgarten leiten sollten. Auch sie selbst hätten nur spärliche Infos bekommen, die Einsatzbesprechungen seien „für diesen Einsatz sehr kurz“ gewesen, sagte ein Angeklagter.

Befolgte Stumpf auch nur Anweisungen?

Zur Frage, ob Stumpf Weisungen der Politik befolgte, etwa vom damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU), gab es zunächst keine weiteren Erkenntnisse. Stumpf hatte nach der Eskalation die alleinige Verantwortung übernommen und war im April 2011 aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand versetzt worden. Laut Anklage haben die Polizeiführer „Schwarzen Donnerstag“ nicht eingegriffen, als die Besatzungen zweier Wasserwerfer immer wieder heftige Wasserstöße auf die Demonstranten abfeuerten. Auch sollen sie Anweisungen nicht weitergegeben haben.