Während Deutschland über die Rente mit 63 diskutiert, geht Australien den anderen Weg. Der dortige Finanzminister ist entschlossen, das Eintrittsalter auf 70 anzuheben. Er hat gar keine andere Wahl.

Wenn es nach Australiens Finanzminister Joe Hockey geht, werden die Einwohner des Landes demnächst erst mit 70 Jahren in Rente gehen. Damit wäre Australien, das mit der Maßnahme die Staatskasse entlasten will, weltweiter Spitzenreiter beim Renteneintrittsalter.

Für Bergbauarbeiter wie Noel Chatterton klingt die Idee wie Hohn. „Na dann viel Glück“, sagt er ironisch. Mit 48 gehört er zur ersten Generation, die von den Reformplänen betroffen wäre. „Meine Hände sind schon fast hin. Mein Körper ist in einer solchen Verfassung, dass ich schon Glück haben muss, um bis 60 zu arbeiten – von 70 will ich gar nicht reden.“

„Die Welt wird das genau beobachten“

Die seit September regierende liberal-nationale Koalition hatte in ihrem Wahlprogramm angekündigt, das von Hockey so bezeichnete Zeitalter der Ansprüche zu beenden und das Haushaltsdefizit abzubauen, das im laufenden Fiskaljahr 49,9 Milliarden australische Dollar (34 Milliarden Euro) erreichen soll. Australien steht mit seinen Plänen für ein höheres Rentenalter an der Spitze einer Reihe von Ländern, die den steigenden Anteil von Rentenbeziehern gegenüber Einzahlern in die Rentenversicherung durch ein höheres Rentenalter entschärfen wollen.

In Australien soll das Verhältnis von Einwohnern im arbeitsfähigen Alter zu Über-65-Jährigen von 5:1 im Jahr 2010 auf 3:1 im Jahr 2050 sinken. In Japan liegt das Verhältnis aktuell bereits unter 3:1 und in Deutschland nahe diesem Wert, wie Daten der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zeigen.

„Australien ist das erste Land, das das Rentenalter auf 70 anhebt, aber es wird nicht das letzte sein“, kommentiert Steve Shepherd vom Personaldienstleister Randstad Group in Melbourne. „Die Welt wird das genau beobachten.“

Die staatliche Rentenkasse in Australien zahlt jährlich rund 40 Milliarden australische Dollar an Renten aus, das ist der größte Posten bei den Staatsausgaben. Über die nächsten zehn Jahre soll diese Summe um 6,2 Prozent jährlich wachsen, wie eine von Premierminister Tony Abbott in Auftrag gegebene Studie errechnet hat. Werden die Ausgaben für das Rentenprogramm nicht gesenkt, müsste die Belastung der Jüngeren durch Steuern und Abgaben gesteigert werden.

Australier bekommen deutlich mehr Rente als Deutsche

Die staatliche Rente ist für 65 Prozent der pensionierten Australier die Haupteinkommensquelle. Hockeys Plan sieht vor, dass die ab 1966 geborenen Einwohner bis 70 arbeiten müssen, während das Rentenalter derzeit bei 65 liegt.

Bei den Wählern weckt er damit keine Begeisterung. Einer im Mai durchgeführten Umfrage des Marktforschers Galaxy zufolge lehnen 69 Prozent der Befragten den Plan für die Verschiebung des Rentenalters um fünf Jahre ab 2035 ab.

Als die Regierung 1909 die staatliche Rente für Männer ab 65 einführte, betrug die durchschnittliche Lebenserwartung für Männer 55,2 Jahre. Inzwischen werden Australier im Schnitt 80,6 Jahre alt, bei Frauen liegt die Lebenserwartung noch vier Jahre höher. Die staatlichen Rentenzahlungen liegen bei bis zu 383 australischen Dollar je Woche, abhängig von Familienstand, Einkommen und Vermögen – das entspricht 264 Euro. Auf den Monat hochgerechnet sind das knapp 1100 Euro. Zum Vergleich: Die durchschnittliche Altersrente beträgt in Deutschland 759 Euro.

„So, wie es ist, kann es nicht weitergehen“, sagt Bernard Salt, Demografie-Analyst bei dem Wirtschaftsprüfer KPMG. „Als das System eingeführt wurde, ging man davon aus, dass die meisten Australier sterben, bevor sie ihre Rente kassieren können.“

Rente mit 67 kommt bald fast überall

Die Regierung braucht für ihre Rentenpläne noch die Zustimmung des Parlaments. Dafür muss ein Gesetz von 2009, das das Rentenalter ab 2023 auf 67 Jahre anhebt, geändert werden. „Wir halten dies für richtig und angemessen“, erklärte Regierungschef Abbott gegenüber dem Parlament.

„Ältere Menschen sollten zur Wirtschaft beitragen.“ Im Oberhaus hängt die Zustimmung von einer Gruppe kleiner unabhängiger Parteien ab, da die oppositionelle Labor Party bereits Ablehnung signalisiert hat.

Auch in anderen Ländern werden die Altersgrenzen für den Renteneintritt erhöht. In Deutschland und Großbritannien soll das Eintrittsalter von 65 auf 67 Jahre steigen. Auch in den USA steigt das Alter, in dem man staatliche Rente beziehen kann, auf 67. Im Durchschnitt der 34 Länder in der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gehen Männer mit 65 Jahren in Rente, Frauen mit 63,5 Jahren.

Wer soll 70-Jährige einstellen?

Veronica Sheen, Forscherin am Institut für Politik und Sozialwissenschaft der Monash University in Melbourne, bezweifelt allerdings, dass viele Arbeitgeber Mitarbeiter einstellen, die Ende 60 sind. „Wir werden genug Probleme haben, den Menschen bis 67 Arbeit zu geben“, sagt Sheen, die für die Regierung ein Programm für ältere Arbeitslose geleitet hat.

„Personen mittleren Alters kommen bei Veränderungen der Arbeitswelt eher nicht so gut weg. In Zukunft werden Automatisierung und die Ersetzung von Arbeitskraft durch Technologie eine größere Rolle spielen.“