Der Männerbauch als Trennungsgrund bildet den furiosen Auftakt des Romans „Dicke Freunde“, den der Hamburger Journalist und Autor Stephan Bartels jetzt vorgelegt hat.

Hamburg. Es ist mit Sicherheit ein Schock, wenn man ausgerechnet an seinem 30. Geburtstag die langjährige Freundin mit einem italienisch-stämmigen Fahrradkurier in flagranti auf der Herrentoilette ertappt. Doch wenn die Freundin dann statt gestammelter Entschuldigungsversuche auch noch zum Angriff übergeht, indem sie dem Gehörnten die alleinige Verantwortung für den Fehltritt zuschiebt, dann nennt man das wohl Tragödie. Tja, warum hat Simon Havlicek sich nur so gehen lassen und in den fünf Jahren ihrer Beziehung 25 Kilogramm zugelegt?

Der Männerbauch als Trennungsgrund bildet den furiosen Auftakt des Romans „Dicke Freunde“, den der Hamburger Journalist und Autor Stephan Bartels jetzt vorgelegt hat. Bartels, Jahrgang 1967, ist Musikredakteur bei der Frauenzeitschrift „Brigitte“, schreibt nebenbei für „Stern“ und „Die Zeit“, ist begeisterter Krimileser, ein Fan des FC St. Pauli – und er ist dick. Er bewege sich im dreistelligen Kilogramm-Bereich, sagt er. Sein Selbstversuchs-Diät-Blog „Der Kilo-Killer“ war vor sechs Jahren auf Anhieb ein großer Erfolg (er verlor immerhin fünf Kilo), und das daraus entstandene Sachbuch wurde ein „Spiegel“-Bestseller. Im August 2011 erschien sein (zusammen mit Till Raether) geschriebenes Buch „Männergefühle – eine Enthüllung“. Er darf daher inzwischen ungestraft behaupten, dass er weiß, wie Männer ticken. Und von Frauen sei er ja ohnehin den ganzen Tag umgeben, meint er.

Es hat jedoch 13 Jahre gedauert, bis er die Geschichte von Simon Havlicek, die in weiten Teilen vermutlich auch seine eigene ist, aufgeschrieben hat (und der Roman spielt daher auch im Hamburg um die Jahrtausendwende). Das eigene Leben sei schließlich immer der Steinbruch einer Geschichte, zitiert Bartels Elke Heidenreich. „Und ich bin ja nicht nur übergewichtig, sondern auch ein fauler Sack“, sagt er, „ich brauche immer Druck. Vor allem natürlich beim Abnehmen.“

Ein Druck, dem sich sein tragikomischer Held Simon nach 352 Seiten beugt. Dazwischen liegt ein spannender Parforceritt durch die Wunderwelt der Männerdiäten, denn Simon, der aus der gemeinsamen Wohnung auszieht, findet Unterschlupf beim Computernerd Hotte, einem Arbeitskollegen, der noch viel dicker ist als er selbst. Und zwar viel, viel dicker. Wie Getriebene legen sich die beiden Pfundskerle nun ein entbehrungsreiches Diätprogramm auf: Sie wandern im Allgäu, sie fahren Rad, sie joggen, sie beginnen, Fußball zu spielen – und sie stellen natürlich auch ihre Ernährungs- und Trinkgewohnheiten um, wobei jedoch hinter jeder Ecke, trotz Weight Watchers, der Jo-Jo-Effekt lauert. Was wiederum automatisch die Frage nach Sinn und Unsinn des Abnehmens impliziert. „Ach“, sagt Bartels und zwinkert listig, „eine Diät bringt immer was – und wenn es nur Erkenntnisse sind: zum Beispiel über Männerfreundschaften, über Sex mit Dicken und das Belgien wie Brokkoli ist.“

Für Christian Ulmen, der das Hörbuch eingelesen hat, ist „Dicke Freunde“ ein „wunderbarer Roman über die Kunst, an Gewicht zu verlieren und sich dabei selbst zu gewinnen“. Man könnte daher sagen, es handelt sich um mit leichter Hand geschriebene schwere Kost: Denn bei allem Froh- und Flachsinn, den die sympathischen Diäthelden unermüdlich versprühen, kredenzt Bartels dem Leser genau die richtige Portion Tiefgang, mit der sich „Dicke Freunde“ vom heiteren Larifari der üblichen Strand- und Urlaubsliteratur unterscheidet.

Man könnte daher auch sagen: „Dicke Freunde“ ist ein amüsanter Beitrag zur Volksbelustigung, der den Aspekt der Volksgesundheit nie aus dem Fokus verliert. Abgesehen davon, müssen Dicke – rund die Hälfte der Deutschen gilt als übergewichtig – schließlich oft eine Menge Hohn und Spott ertragen und dementsprechend leidensfähig sein. Was der Autor beispielsweise nicht so recht leiden kann, ist, dass ihn sein doch recht schlanker Vater – jüngst auch zur Buchpräsentation ins Terrace Hill im Bunker Feldstraße gekommen – ihm zur Begrüßung erst einmal feixend über den gut gepackten Ranzen streicht, den sein Sohn vor sich herträgt. „Das macht er immer“, seufzt Bartels, „aber meine Attraktivität hängt doch nicht unbedingt vom Bauch ab. Es kommt ja auch darauf an, wie ich ihn trage, und das sollte ein Mann mit Würde tun.“ Dies dürfe man auch durchaus als die zentrale Botschaft seines Romans verstehen: „Wenn man so zu sich steht, wie man ist, und mit sich selbst im Reinen ist, dann strahlt man auch mit einem Bauch eine gewisse Souveränität aus. Ich glaube daher, dass Frauen einen Bauch durchaus mögen...“

Schützenhilfe erhält Bartels von Bernd Begemann, der den Part des Vorlesers während der Buchpräsentation übernommen hatte. Ein kleines Dankeschön an den Musikredakteur, „der schon seit 20 Jahren versucht, mich in die Weltspitze zu schreiben“, sagt der Musiker und Entertainer, der in den vergangenen Jahren ebenfalls ein wenig zugelegt hat. „Ich hatte eine Traumfigur und viele schwule Fans, aber kaum fange ich an, wie mein Vater auszusehen, habe ich keine schwulen Fans mehr“, klagt er. Aber: „Es gibt eine Menge junger Männer, die trainieren und alles richtig machen – und dennoch keine Freundin haben.“

Stephan Bartels hat eine, trotz Wampe, seitdem vor eineinhalb Jahren eine Frau mit zwei Kindern in die Nachbarwohnung eingezogen ist. Der Wanddurchbruch war nach kurzer Zeit nur noch Formsache.