Der Regisseur Roland Klick hat viel Pech gehabt. Dennis Hopper sabotierte und Bernd Eichinger feuerte ihn. Klick hat nur sieben Spielfilme gedreht – und doch wird der 75-Jährige nun gefeiert.

„Kann man hier irgendwo rauchen?“ Roland Klick lässt seinen Blick durch das Foyer eines Berliner Multiplexes wandern. Der große Unbekannte des deutschen Films möchte sich einfach nur in Ruhe eine Zigarette anzünden, das wird doch wohl nicht zuviel verlangt sein. In einem der Säle wird gerade „The Heart Is A Hungry Hunter“ gezeigt, ein Dokumentarfilm, den die Regisseurin Sandra Prechtel über ihn gedreht hat. Nach der Vorstellung soll Klick Fragen des Publikums beantworten, bis es soweit ist, bleibt Zeit für ein Gespräch.

Ob man vielleicht im Irish Pub vielleicht rauchen kann? Man kann. Wie sich herausstellt, kann man sich darin aber nur schlecht unterhalten. Der Raum wird von lautstarkem Gefiedel erfüllt, den die Barfrau aus Rücksicht auf die anderen Gäste nicht leiser drehen will, wobei es in der vollständig leeren Kneipe allerdings gerade gar keine anderen Gäste gibt. „Scheiß Musik“, sagt Klick und bestellt sich einen Cappuccino. „Wie war doch gleich Ihre Frage?“

Nein, es störe ihn überhaupt nicht, über seine alten Filmen Auskunft zu geben. Einerseits zeige das Interesse, dass er damals vieles richtig gemacht haben muss, andererseits habe er ja auch schon seit 25 Jahren keinen Film mehr gedreht, was das Reden über neuere Werke naturgemäß erschwert. Tatsächlich ist das Gesamtwerk von Roland Klick recht überschaubar. Zwischen 1963 und 1989 sind drei Kurzfilme entstanden, eine Dokumentation und sieben Spielfilme, von denen einer allerdings so kurz ist, dass er vielleicht gar nicht als regulärer Spielfilm zählt. Als er 1966 mitten in den Dreharbeiten zu „Johnny Orpheus“ steckte, ging die Produktionsfirma Atlas pleite und der Film kam nicht über die Dauer von 52 Minuten hinaus. Dass Pech fest zum Schaffen von Roland Klick gehört, deutete sich bereits früh an.

Das Pech hing Klicks Karriere am Stiefel

Nehmen wir zum Beispiel „Bübchen“. Klicks erster richtiger Langfilm erzählt vom tristen Leben in einer deutschen Vorstadt in den Sechzigern. Ein elfjähriger Junge bringt seine kleine Schwester im Spiel aus einer Laune heraus um, und als der Vater ihn schließlich als Täter identifiziert, fällt dem nichts Besseres ein, als die Tat zu vertuschen – die Fassade muss gewahrt werden, was sollen die Nachbarn sonst denken. Am Ende sitzt die neuerdings dreiköpfige Familie beim Abendbrot zu Tisch und tut so, als wenn nichts weiter wäre.

Als der großartige Film 1968 in die Kinos kam, schwankte die Reaktion zwischen Ratlosigkeit und Entsetzen. Der Kritik fehlte die einordnende Interpretation des Geschehens und die Zuschauer waren es nicht gewohnt, den Bildern zu vertrauen. „Nach der Premiere, kam ein Mann zu mir und meinte, dass es ein toller Film sei“, sagt Klick, „leider war er der einzige.“ Als der Verleih es mit dem Film ein Jahr später unter dem idiotischen Titel „Der kleine Vampir“ erneut versuchte, hielt sich der Erfolg ebenfalls in Grenzen.

Ganz im Unterschied zu „Deadlock“ – ein Sonderfall des deutschen Kinos, ein Kammerspiel ohne Kammer, ein Italo-Western ohne Pferde, direkt nach dem Ende des Sechstagekrieges unter abenteuerlichen Bedingungen in der Negev-Wüste gedreht. Links und rechts hatten die verfeindeten Parteien noch die Waffen aufeinander gerichtet, mittendrin war das Filmset, was dem Produzenten derart heikel vorkam, dass er kurz vor Drehbeginn aus dem Projekt ausstieg. Hin und wieder sollen sogar Schüsse gefallen sein, doch die Israelis versicherten Klick, dass seinen Leuten nichts geschehen würde. „Es ist dann auch nichts passiert“, sagt Klick und lacht, wie er gern lacht, wenn er sich darüber wundert, wie er seine abenteuerliche Karriere überlebt hat. „Aber die brenzlige Situation hat sich dann gut auf die Stimmung des Films ausgewirkt.“

Drei Typen und ein Geldkoffer

Im Kern handelt „Deadlock“ von drei Typen und einem Koffer voller Geld. Die Sonne brennt, die Türen klappern im Wind, Schüsse fallen und in der Jukebox, die trotz Hitze, Staub und unzureichender Stromversorgung gegen alle Wahrscheinlichkeit funktioniert, läuft die wunderbare Single „Tango Whiskeyman“ der Krautrockband Can – doch die Single in der Jukebox hat einen Sprung. „Deadlock“ mit Marquard Bohm und Mario Adorf in den Hauptrollen wurde 1970 in den Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes eingeladen und hätte mit Klicks größter Triumph werden können, aber dann fiel die Premiere ins Wasser.

Statt sich über den Erfolgs ihres Kollegen zu freuen, hatten sich Vertreter des Jungen Deutschen Films unter Tränen an den damaligen Festivalchef gewandt und alles daran gesetzt, dass der Film nicht gezeigt wird, weil das vermeintlich oberflächliche und vor allem unterhaltsame Werk alles unterminieren würde, was sich das deutsche Kino in den Jahren davor an Schwerkraft erarbeitet hatte. „Und die haben es tatsächlich geschafft“, sagt Klick. „Ich bin nach Cannes gekommen, da war die gesamte Croisette schon gepflastert mit Deadlock-Plakaten. Und drei Tage später war ich draußen.“

Stattdessen gab es eine Sondervorstellung mit kaltem Buffett, zu der aber wegen unerwartet dramatischer Regenfälle niemand erschien. „Nur dieser eine Mann schaute sich den Film mit seiner Freundin an.“ Der große chilenische Surrealist Alejandro Jodorowsky, der kurz darauf mit „El Topo“ selbst einen eigenartigen Western in die Kinos brachte, ist seither ein glühender Verehrer des Films, andere berühmte Fans sind Tarantino und Spielberg. Letzterer versuchte Klick nach Hollywood zu holen, doch der blieb lieber in Deutschland und drehte mit „Supermarkt“ einen sensationellen Film über einen 18-jährigen Hamburger Straßenjungen namens Willi. „Wissen Sie, ,Deadlock‘ kam ja ohne sozialen Hintergrund aus. Und bei ,Supermarkt‘ habe ich versucht, die Dramatik von Deadlock in die soziale Gegenwart zu übertragen.“

Der Star kam aus einer Taugenichts-WG

Was allerdings nicht bedeutet, dass Klick plötzlich anfing, seine Geschichten wortreich zu erklären. Er erzählt mit Schnitten und Blicken und Gesten und Bildern und ist bewundernswert genau darin, seine Figuren in einer Sprache sprechen zu lassen, in der sie auch tatsächlich sprechen würden. „Ein fertiges Drehbuch gibt es bei mir erst, wenn ich weiß, wer die Rollen spielt“, sagt er. „Ich suche mir Darsteller aus, die zu den Figuren passen und gleiche die Dialoge an deren Sprache an. So müssen die eigentlich gar nicht mehr spielen.“ Charly Wierzejewski, der in „Supermarkt“ den Willi spielt, hatte Klick zufällig in einer heruntergekommenen Hamburger Taugenichts-WG gefunden. „Der lag da so auf einer Matratze und ich dachte mir: Das ist er.“

Als Klick von Bernd Eichinger den Auftrag bekam, „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ zu verfilmen, ging er nach der gleichen Methode vor, doch das intensive Casting von ungezählten Junkies und deren nicht immer vorteilhaftes Benehmen in den Büro-Toiletten der Produktionsfirma sorgte dafür, dass Eichinger sich zwei Wochen vor Drehbeginn von Klick trennte. Die Pechsträhne setzte sich fort. Sein nächster Film „White Star“ wurde von seinem Hauptdarsteller Dennis Hopper sabotiert („Ich hatte ja keine Ahnung, dass der Hopper so dermaßen auf Koks war“) und als die Berliner Filmförderungsanstalt Klicks Komödie „Schluckauf“ sichtete, forderte sie Fördergelder in Höhe von 270.000 DM zurück („Ja, das lief auch nicht so gut“).

Klick kehrte Deutschland anschließend den Rücken und drehte keinen weiteren Film, jedenfalls nicht unter eigenem Namen. „Ich habe, hier und da noch was für Fernsehen unter Pseudonym gedreht, aber was verrate ich Ihnen nicht.“ Zu seinem 75. Geburtstag wird jetzt eine DVD-Box veröffentlicht, die nicht nur fast alle Klick-Filme in restaurierter Fassung enthält, sondern auch den Dokumentarfilm von Sandra Prechtel. „Ja, der gefällt mir gut“, sagt er und freut sich über die späte Anerkennung. Seine Filme haben die Zeit überdauert, und an die Gegner von früher kann sich heute sowieso keiner mehr erinnern.

Die Berliner Volksbühne zeigt am 10. Juli „Deadlock“ und „The Heart is a Hungry Hunter“; anschließend legt Irmin Schmidt von der Gruppe „Can“ auf, die den „Deadlock“-Soundtrack komponierte. Bei der Filmgalerie 451 erscheint eine Box mit sechs Klick-Filmen