Das HI-Virus bildet nach der Infektion sofort Reservoirs. Das ermöglicht es den schlafenden Erregern, in günstigen Momenten neue Zellen zu infizieren. Nun gelang es Forschern, diese zu zerstören.

Gleich zwei Studien beschäftigen sich diese Woche mit einer speziellen Tücke des HI-Virus: Der Erreger kann im Körper in einem inaktiven Zustand verharren, der es ermöglicht, die Infektion neu zu beleben, sollte sie eingedämmt werden. Der Erreger legt dazu offenbar schon sehr kurz nach der Infektion Reservoirs im Körper an, die die bisherigen Medikamente nicht erreichen können. Diese ernüchternde Erkenntnis ziehen US-Forscher um den Virologen James Whitney von der Harvard Medical School in Boston in der ersten Studie, die in der Fachzeitschrift „Nature” erschien.

Die Wissenschaftler fanden dies bei Tierversuchen mit dem SI-Virus heraus, dem HIV-Äquivalent bei Affen. Demnach nisten sich inaktive Aids-Erreger schon innerhalb der ersten Tage nach der Infektion in bestimmten Gewebetypen ein, noch bevor sie im Blut nachweisbar sind. Dies erschwere eine Heilung, schreibt das Team. Die antiretrovirale Therapie (ART) kann bei HIV-Patienten die Zahl der Erreger zwar unter die Nachweisgrenze senken. Doch inaktive Viren können die Therapie in sogenannten Reservoirs jahrelang überdauern und sich nach dem Absetzen der Medikamente wieder vermehren. Diese Reservoirs sind die wichtigste Hürde auf dem Weg zu einer HIV-Heilung.

Unklar war bislang jedoch, wann und wo die Erreger sich einnisten. Dies prüften die Forscher an Rhesusaffen (Macata mulatta), die sie mit SIV infizierten. Manche Tiere erhielten am dritten Tag nach der Infektion eine antiretrovirale Therapie, noch bevor die Infektion im Blut nachweisbar war, andere ab den Tagen 7, 10 oder 14. Die intensive Behandlung über sechs Monate drückte bei allen Tieren die Viruslast unter die Nachweisgrenze von sechs RNA-Kopien pro Milliliter Blutplasma.

Die Therapie früh einzuleiten hilft nicht gegen Reservoirs

Doch nach dem Absetzen vermehrten sich die Erreger bei sämtlichen Affen wieder. Bei den besonders früh behandelten Tieren setzte der Rückfall lediglich etwas verzögert ein – ein Beleg dafür, wie rasch sich die Reservoirs bilden. Vermutlich überdauerten die schlafenden Viren im Schleimhautgewebe und im lymphatischen Gewebe, schreiben die Forscher.

Dieses Resultat widerspreche auch der mutmaßlichen Heilung des sogenannten Mississippi-Babys, das nach extrem früh eingeleiteter intensiver Therapie als funktional geheilt galt, weil es jahrelang keine Medikamente mehr bekam und dennoch keine HI-Viren nachweisbar waren, schreiben die Forscher. Ärzte des Kindes hatten am 10. Juli – offensichtlich nach Abgabe des Artikels zu den Affenversuchen – mitgeteilt, bei dem Mädchen seien wieder Erreger aufgetaucht.

Die Forscher räumen aber auch ein, dass es große Unterschiede zwischen SIV und HIV gebe und sie die Affen mit einer hohen Erregerdosis infiziert hätten. Dennoch sei ihr Resultat ernüchternd und deute auf neue Hürden auf dem Weg zu einer HIV-Heilung hin. Wenn HIV Reservoirs anlege, bevor das Virus im Blut und damit die Infektion nachweisbar sei, werde es sehr schwierig, rechtzeitig eine Therapie zu starten. Wahrscheinlich brauche man zusätzliche Behandlungsansätze, die direkt auf die Reservoirs abzielten, so ihr Fazit.

Erste Methode, die sich auf Reservoirs spezialisiert

In der zweiten Studie, gerade erscheinen im Journal „PNAS“, berichten Forscher um Wenhui Hu und Kamel Khalili von der Temple University in Philadelphia, dass ihnen genau dies gelungen sei: menschliche Zellen gänzlich vom HI-Virus zu befreien. Mithilfe eines speziellen Enzyms schnitten die Wissenschaftler Erbgut des Erregers HIV-1 aus der DNA der Wirtszellen. So könne man die Reservoirs inaktiver HI-Viren erreichen, auf die Medikamente bislang keinen Einfluss haben, schreiben die Forscher.

Dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Heilung einer HIV-Infektion und möglicherweise sogar zu einer vorbeugenden Impfung. Wie auch ihre Kollegen von der Harvard Medical School betonen sie, dass die derzeitigen Medikamente nur auf die aktiven HI-Viren abzielen, jedoch keinen Einfluss auf die schlafenden Viren in den Reservoirs hätten.

Die Methode schütze die Zelle auch gegen eine erneute Infektion mit HIV-1, schreiben die Forscher. Sie testeten den „HIV-1-Editor” erfolgreich an verschiedenen Zelltypen des Immunsystems, die bevorzugt von HIV befallen werden. „Dies ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer dauerhaften Aids-Heilung”, wird Khalili in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. „Es ist ein Machbarkeitsnachweis, dass wir uns in die richtige Richtung bewegen.”

Von einer klinischen Anwendung ist das im Labor getestete Verfahren allerdings noch sehr weit entfernt. Denn das Werkzeug muss jede Form des extrem mutationsfreudigen Virus erkennen. „Wir arbeiten an einer Reihe von Strategien, um die Behandlung in präklinische Studien zu bringen”, sagt Khalili. Letztlich, so der Wissenschaftler, wolle man in der Lage sein, jede einzelne HIV-1-Kopie bei Patienten zu entfernen.