Derzeit fehlen 900 Unterkunftsplätze für Flüchtlinge. Technische oder politische Bedenken sollen Containerbau nicht mehr behindern

In dem verzweifelten Versuch, rechtzeitig vor dem Winter ausreichend Flüchtlingsunterkünfte zu schaffen, greift Hamburg jetzt zu unkonventionellen Methoden: „Wir müssen es nach Polizeirecht tun. Es geht nicht anders“, sagte Sozialsenator Detlef Scheele (SPD) in der Bürgerschaft. Der Ansturm der Flüchtlinge aus den Krisenregionen der Welt sei so groß, dass man auf dem normalen Behördenwege nicht mehr dagegen ankomme.

Der von Scheele verwendete Begriff „Polizeirecht“ ist etwas irreführend und hat daher für einigen Wirbel gesorgt. Unter diesem Oberbegriff verbergen sich Gesetze, die jedes Bundesland erlassen hat. In Hamburg heißt es „Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“, kurz SOG.

Es ist keinesfalls auf die Polizei beschränkt, sondern räumt allen Behörden der Stadt die Möglichkeit ein, bei „Gefahr im Verzug“ Maßnahmen zu ergreifen, „um bevorstehende Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren“. In diesem Fall geht es darum, die Gefahr abzuwenden, dass Flüchtlinge im Winter in Zelten übernachten müssen. „Keine Zelte in Hamburg“ sei die oberste Maxime des Senats, so Scheele.

Bis Jahresende braucht die Stadt mindestens 14.000 Plätze

Sein Problem: Bis Jahresende braucht die Stadt mindestens 14.000 Plätze für Flüchtlinge. 10.000 existieren bereits, weitere 2500 werden gerade geschaffen. Zudem sollen mindestens zwei Wohnschiffe mit bis zu 600 Plätzen angemietet werden – dennoch bleibt eine Lücke von 900 Plätzen, die die Behörden seit Monaten nicht schließen können.

Dutzende Gebäude in ganz Hamburg wurden überprüft, doch immer gab es unüberwindbare Hürden – mal waren es rechtliche Bedenken, mal technische, mal die Lokalpolitik. Und dieses Problem wird sich fortsetzen: „Wenn sich die Lage nicht ändert, werden uns Ende 2015 etwa 4800 Plätze fehlen“, so Scheele. Jetzt reißt dem Senat der Geduldsfaden. Mit Verweis auf das SOG oder eben Polizeirecht kann er die zeitintensive Beteiligung der Bezirke ebenso umgehen wie baurechtliche Bedenken oder öffentliche Ausschreibungen. Eine Baugenehmigung kann dann auch nachträglich erteilt werden; und wenn etwa Brandschutzvorgaben nicht eingehalten werden können, dann „setzen wir da halt eine Brandwache hin“, sagte SPD-Fraktionschef Andreas Dressel.

Derzeit wird im Hamburger Senat mit Hochdruck eine Liste mit allen infrage kommenden Gebäuden und Flächen in Hamburg erstellt. Ob Wohnschiffe, ehemalige Schulen, leer stehende Kasernen, Hotels oder Plätze, auf denen Container aufgestellt werden können: Man nehme, was man kriegen könne, sagte Senator Scheele: „Wir müssen jetzt handeln.“

Im Blickfeld sind dabei jetzt sogar auch private Gebäude oder Flächen. Obwohl das Polizeirecht theoretisch in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit zu Zwangsmaßnahmen gegen Privateigentümer bietet, die ihr Eigentum nicht zur Verfügung stellen wollen, ist dies aber ausdrücklich nicht geplant.

Nutzung von privaten Flächen nur „einvernehmlich“ denkbar

„Es geht nicht darum, jemanden zu enteignen oder gegen seinen Willen Flüchtlinge auf seinem Grund und Boden unterzubringen“, sagte Sozialdemokrat Dressel. Wenn privates Eigentum in Anspruch genommen werde, dann „einvernehmlich und zu ordentlichen Konditionen“.

Wie drängend das Problem mit den Flüchtlingsunterkünften ist, zeigt sich auch in der Nachbarschaft: Schleswig-Holstein erlebt derzeit den größten Ansturm seit 20 Jahren. Das Land bringt bereits Menschen in Zelten unter.