Sein Leben lang wollte der NDR-Moderator Daniel Kaiser Pastor werden. Weil es keine Stellen gab, wurde er Radiojournalist

Es ist erst ein paar Wochen her, da stand Daniel Kaiser auf der kleinen Kanzel des schlichten Gotteshauses St. Martinus in Eppendorf und predigte gegen die Kirchensteuer. „Ich finde, das ist kein Zukunftsmodell mehr, sondern die Kirche sollte ein ehrlicheres Bezahlmodell einführen, zum Beispiel Mitgliedsbeiträge. Denn wir sind keine Volkskirche mehr“, sagt Kaiser. Mit seiner provokanten These spaltete er die kleine Sonntagsgemeinschaft, manche fanden es mutig, andere etwas zu radikal. Doch Daniel Kaiser nimmt wenig Rücksicht darauf – er hat zwar Theologie studiert, aber ist kein Pastor geworden. Sondern Redakteur bei NDR 90,3, wenn auch mit Hang zu Kirchenthemen.

Mehrfach im Jahr predigt er zudem von Kanzeln im norddeutschen Raum, mal in Mölln, Lübeck – wo er geboren wurde – und seit Neuestem auch in St.Martinus Eppendorf. Es gehört zum Leitbild dieser Kirche – ein Nachkriegsbau von 1949 mit zeltähnlichem Holzdach und bunten Fenstern im Altarraum –, dass Laienprediger den Sonntagsgottesdienst gestalten. „Mein Ziel ist es, dass ich in den Menschen etwas zum Klingen bringe, dass sie nicht abschweifen, sondern wirklich zuhören“, sagt der 41-Jährige.

Man glaubt Daniel Kaiser sofort, dass er seine Zuhörer begeistern kann. Sein tiefer Glaube an Gott erfüllt ihn sichtlich. „Es ist schön, ein Christ zu sein, und bedeutet für mich Trost, Hoffnung und große Freude“, sagt er. Er wollte fast sein ganzes Leben lang Pastor werden. Der Berufswunsch stand seit dem Einschulungsgottesdienst in seiner Gemeinde in Lübeck-Moisling fest: „Mich hat begeistert, dass da vorne jemand stand und bedeutsame Dinge erzählt.“ Danach sei er jeden Sonntag mit 20 Pfennig für den Klingelbeutel in den Kindergottesdienst gegangen – freiwillig und auch allein. „Meine Eltern waren Protestanten, aber nicht so intensiv religiös.“ Seine Eltern, die Mutter Verkäuferin, der Vater Polier auf dem Bau – „mit Hang zur Musik und Kunst“ –, boten ihm ein liebevolles, geborgenes Elternhaus. Geistige Nahrung bekam er vor allem durch die Gemeindehelferin, die tatsächlich „Fromm“ mit Nachnamen hieß und „sehr lebendig von Gott erzählt hat“.

Zur Schule ging er auf das altsprachliche, altehrwürdige Katharineum zu Lübeck, das schon Thomas Mann besuchte und wo Kaiser neben Latein auch Griechisch lernte. In der ehemaligen Klosterkirche gab es jeden Montag eine Morgenandacht, bei der er als Schüler Orgel spielte und zuweilen auch mal selber sprach.

Prägend war das Abschiedsgeschenk seines Englischlehrers. Der schenkte dem überzeugten Christen eine Bibel, in die er den Spruch von Johannes, 8, 32 schrieb: „Ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Dieser Satz begleitet den Single bis heute, „denn es stimmt, das Christentum ist eine Religion der Freiheit“.

Direkt nach dem Abitur ging Kaiser 1992 nach Bayern an die kleine kirchliche Hochschule in Neuendettelsau. Er lernte dort Hebräisch und genoss die spannende „Mischung aus Kultur, Geschichte, Philosophie und Gegenwart“, die das Theologiestudium mit sich bringe. Für ihn bietet die Theologie „einen poetischen Blick auf die Welt und den Glauben“. Später studierte er in Heidelberg und zuletzt in Hamburg, immer wieder mit großen Pausen dazwischen. Erst 2008 gab er das Studium auf – ohne Abschluss. „Mitte der 90er bekamen wir einen Brief von der Nordelbischen Kirche, dass es keine Pastorenstelle gebe, und wir uns doch ein zweites Standbein suchen sollten“, sagt Kaiser und schaut etwas wehmütig. Er hat lange mit sich gerungen, bevor er sich endgültig seiner zweiten Leidenschaft, dem Radio, zuwandte. Als Praktikant fing er 1996 bei Radio Hamburg an, arbeitete später beim NDR als Reporter, dann als Kultur- und Politikredakteur, bis er 2011 eine feste Stelle beim Sender NDR 90,3 bekam. Dort moderiert er nun mehrmals die Woche um 19 Uhr das Hamburger Kultur-Magazin „Abendjournal“ – ein „öffentlich-rechtliches Kleinod“, wie Kaiser es nennt.

Er gibt Theater- und Buchtipps, berichtet aber auch über kirchliche Themen oder sendet einen Beitrag unter dem Motto „Partywissen Theologie“, wo er seinen Zuhörern augenzwinkernd die christlichen Traditionen erklärt, und damit ein Wissen vermittelt „mit dem man auf der nächsten Einladung beeindrucken kann“. Er liebe seinen „Traumjob“, sagt er und kann dennoch nicht verbergen, dass es viele Momente des Haderns gab, bis er von seiner wirklichen Berufung Abstand nehmen konnte.

„Inzwischen bin ich darüber hinweg, aber bis vor fünf Jahren habe ich häufiger in Kirchen gesessen und mich gefragt, ob ich den richtigen Weg gehe. Aber ich kenne eben auch genügend Pastoren, die der ganze Verwaltungskram und die ständigen Sitzungen nerven.“ Ihn hat eh immer das Predigen am meisten gereizt, er liebt die intellektuelle Auseinandersetzung. Und „ärgert sich über schlecht gemachte Gottesdienste“, weil es verpasste Chancen seien, Menschen die frohe Botschaft zu verkünden.

Für mich bietet die Theologie einen poetischen Blick auf die Welt und den Glauben.