Die Ateliergemeinschaft Achterhaus in Bahrenfeld zeigt erstmals ihre Räume

Achterhaus? Wo ist das denn, bitte, und was? Keine Bildungslücke offenbart, wer diesen Namen als Ort für irgendetwas Kulturelles in Hamburg bislang noch nie gehört hat. Denn das achtern, also im Hinterhof, gelegene Gründerzeithaus an der Ruhrstraße mit der Doppelacht in der Hausnummer öffnete erst kürzlich erstmals für die Öffentlichkeit seine Pforten. Über drei Stockwerke verteilt bietet es Platz für Ateliers, in denen jetzt 32 bildende Künstler ihrer Arbeit nachgehen.

Dass die Umwandlung des ehemaligen Verwaltungsgebäudes der Firma 1000 Töpfe in ein gemeinschaftlich genutztes Atelierhaus gelang, ist angesichts der Knappheit und Überteuerung von Arbeitsräumen für bildende Künstler in Hamburg ein echter Glücksfall. Für die Künstler und für die Stadt.

In den Räumen entsteht eine überaus inspirierende Vielfalt an Kunst

Sophia Lund weiß nicht, was sie am meisten freut an der Geschichte, die sie vor bald zwei Jahren angezettelt hat. Lund ist selbst Künstlerin und gehört zu 2025 Kunst und Kultur e.V., einem direkt nebenan gelegenen Künstlerhaus. Sie hat im Achterhaus kein Atelier, ist aber Mitglied im Verein. „Ich bin der V-Mann“, sagt Frau Lund. Das 2025, das in seinem Namen kundtut, dass ihm an Interimslösungen à la Frappant nicht gelegen ist, sondern an dauerhaft nutzbaren Arbeitsräumen, zog 2009 in ein ehemaliges Lager von 1000 Töpfe. Als die Betreiber des früher mit vielen Filialen in Hamburg vertretenen Kaufhauses Ende 2012 ihren letzten Laden schlossen, eben den an der Ruhrstraße, wurde auch das Verwaltungsgebäude nebenan frei. „Und weil die mit uns als Mieter so glücklich waren, haben sie uns gefragt, wer da denn einziehen könnte“, erzählt Sophia Lund.

Vielleicht hat sie nicht zuallerletzt an ihren Mann Jörn gedacht. Der ist ein begnadeter Trickfilmer und Bastler. Er baut sich all seine Technik und Objekte selber, konnte aber ewig keinen Arbeitsraum für seine wunderbar verschrobene Kunst finden. Klar, dass Jörn Lund heute eines der 33 Mitglieder des Vereins Achterhaus ist und dort einen Werkstattraum hat. Es ist darin nicht besonders hell, aber hier findet sichtbar auf jedem Quadratzentimeter Tüfteln, Schrauben und Feinarbeit statt.

In den Räumen, die manche allein nutzen, manche zu zweit, einige zu dritt, entsteht nun nach nahezu zweijähriger, bisweilen nervenaufreibender Planungs- und Bauzeit seit Anfang Oktober zum Quadratmeterpreis von 8,60Euro plus Nebenkosten eine wohl nicht nur für den Besucher überaus inspirierende Vielfalt an Kunst: Malerei, Zeichnung, Scherenschnitt, Performance, Illustration, Objektkunst, Bühnenbild. Im Erdgeschoss entwickeln die vier Öko-Designer des Büros Vakant extrem raumsparende, clever durchdachte Gemüseanbauanlagen. Nils Emde hat das komplette Inventar der Egal-Bar im Karoviertel vor dem gentrifizierungsbedingten Abriss des Gebäudes gerettet und in seinem Atelier wieder aufgebaut, samt einer Fototapete der Rückwand.

Was das Achterhaus neben der spürbaren Ernsthaftigkeit und Qualität, mit der hier an der Verwirklichung starker Fantasien gearbeitet wird, in besonderem Maße ausstrahlt: viel Herzlichkeit, mit der die Künstler einander begegnen. „Wir haben uns zufällig gefunden und hatten sehr viel Glück miteinander“, sagt die Fotografin, Zeichnerin und Schriftstellerin Sarah Hildebrand.

Das Achterhaus atmet schon jetzt weit mehr als nur die friedliche Koexistenz hochgradig individueller Kunstproduzenten. Es ist eine ziemlich coole, kreative und internationale Arbeits-WG. Die Kulturbehörde förderte den Umbau mit 20.000 Euro und will sich auch längerfristig engagieren.

Das Achterhaus atmet schon jetzt weit mehr als nur die friedliche Koexistenz hochgradig individueller Kunstproduzenten.