Das Prinzip heißt solidarische Landwirtschaft. Die Foodcoop Eppendorfer Weg ist dabei

Die Ferkel drängeln. Jedes will eine Zitze. Die Sau liegt auf der Seite, schüttelt hin und wieder den Kopf, um Fliegen zu vertreiben. Es ist ein anrührendes Bild. „15 Sauen, einen Eber und gut 250 Ferkel haben wir“, erzählt Mathias von Mirbach, Inhaber des Kattendorfer Hofs. Zur Wahrheit gehört auch: Jede Woche werden drei Schweine geschlachtet.

Der Kattendorfer Hof liegt keine 40Kilometer nördlich von Hamburg entfernt und trägt wie so manches der alten Gehöfte in der Gegend den Namen des Ortes. 1924 hatte die Hamburger Stiftung Rauhes Haus das Anwesen, das es seit dem Dreißigjährigen Krieg im 17.Jahrhundert geben soll, erworben und viele Jahrzehnte als Erziehungsanstalt für Kinder und Jugendliche genutzt. „Wir haben den Hof als Betriebsgemeinschaft im Jahr 1995 gepachtet“, erzählt Mathias von Mirbach. Inzwischen produzieren er und seine rund 30Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht nur auf biologisch-dynamische Art, sondern zugleich nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft. „Sich die Ernte teilen, ist die eine Seite der Medaille“, sagt von Mirbach. Die andere: Das Risiko der Landwirtschaft wird auf vielen Schultern verteilt.

„Es ist einfach ein Riesenunterschied, ob ich zum Beginn des Wirtschaftsjahres von meinen Mitgliedern eine verbindliche Zusage für ihre Ernteanteile bekomme oder ob ich der Willkür des Marktes ausgesetzt bin.“ Was Mathias von Mirbach meint, hat mit der Entwicklung im Agrarsektor in den vergangenen Jahrzehnten zu tun. „Selbst Biobauern müssen sich inzwischen spezialisieren und sind großem Druck des Handels ausgesetzt.“

Angesichts von Massenproduktion und Preisdruck drängt sich eine Frage in den Vordergrund: Wie kann heutzutage eine regionale, bäuerliche und nachhaltige Landwirtschaft erhalten werden? Üblicherweise stehen Landwirte vor zwei Alternativen, die Mathias von Mirbach ablehnt: „Entweder sie beuten die Natur aus oder sich selbst.“

Von Mirbach und seine Mitstreiter sind überzeugt: Wenn sie nach dem Prinzip der solidarischen Landwirtschaft arbeiten, können sie sich den „industriellen“ Alternativen entziehen. Ausgangspunkt ist die Idee, dass Gemüse, Fleisch und Milchprodukte nicht für anonyme Konsumenten, sondern für konkrete Mitglieder der Wirtschaftsgemeinschaft produziert werden.

Der Kattendorfer Hof arbeitet daher mit 13 Lebensmittel-Kooperativen (Foodcoops) zusammen. Das sind Gruppen von Privatpersonen, die monatlich einen oder mehrere Ernteanteile erwerben. Mit ihrem Ernteanteil garantieren die Gruppen die Abnahme der Lebensmittel und finanzieren somit Anbau, Ernte sowie Tierhaltung vor.

Mathias von Mirbach und seine Mitarbeiter werden damit unabhängig von der Marktentwicklung, von Großhändlern und Supermärkten. Zudem, so sagt Mirbach, ist die Kostenkalkulation ehrlicher. „Unsere Produkte kosten das, was ihre Herstellung real kostet. Es geht uns nicht um Gewinnmaximierung, und wir müssen nicht für Shareholder Riesensummen erwirtschaften.“ Dieser Ansatz ist für Kathrin Gradt einer der Gründe, in der Foodcoop Eppendorfer Weg mitzumachen. „Für mich ist das ein wichtiger Schritt weg von der Kritik an den Problemen der industriellen Landwirtschaft hin zur Praxis einer gelebten Alternative“, sagt sie: „Ich kann mir den Hof ansehen, mit den Leuten reden, sogar bei der Möhrenernte mithelfen. Das schafft Vertrauen!“

Ähnlich sehen es Antje Weinl und Sascha Schumann. „Zu wissen, wo das Essen herkommt, und eine direkte Verbindung dazu zu haben, das war unsere Motivation. Wir können uns jederzeit selbst davon überzeugen, wie die Tiere gehalten, das Gemüse angebaut und der Käse hergestellt werden.“ Die Fotografin Dörthe Hagenguth ist sich sicher, dass die Lebensmittel, die direkt vom Hof stammen, einfach besser schmecken. „Milch schmeckt wieder wie Milch, Möhren wieder wie Möhren.“

Die Mitarbeiter des Kattendorfer Hofs produzieren die Lebensmittel auf 230 Hektar. „Rund 700 Menschen können wir mit Grundnahrungsmitteln versorgen“, sagt Mathias von Mirbach. 50 Milchkühe liefern die Milch, 150 Schlachtschweine und fast 30 Schlachtrinder das Fleisch. Hinzu kommen eine Käserei und eine Imkerei. Die Foodcoops – elf sind es in Hamburg, eine in Kaltenkirchen und eine in Norderstedt – werden jede Woche mit den Nahrungsmitteln beliefert. Um eine aufwendige Logistik zu vermeiden, fährt der Lkw des Hofs lediglich die Depots an und liefert die Lebensmittel für die gesamte Coop. Die Mitglieder teilen die Produkte entsprechend der Zahl ihrer Ernteanteile unter sich auf.

Ein Ernteanteil kostet im Monat 182 Euro und umfasst pro Woche die Lieferung von 700 Gramm Fleisch und Wurst, von Milchprodukten aus 8,75 Liter Milch und von 1,5 bis 3,5 Kilogramm Gemüse je nach Jahreszeit. Das Prinzip der solidarischen Landwirtschaft bedeutet dabei nicht nur, Ernte und Risiko zu teilen. Eine Foodcoop entwickelt auch bei der Aufteilung der Nahrungsmittel unter sich ein besonderes Miteinander. Das lässt sich am Fleisch gut beschreiben. Natürlich gibt ein Rind oder ein Schwein nicht nur Schinken oder Rouladenfleisch her. Mortadella oder Blutwurst oder Speck gehören genauso dazu wie die Fairness beim Verteilen. Die Eppendorfer Coop hat die Herausforderung so gelöst, dass jeder in einem öffentlichen Notizbuch vermerkt, was er für Fleisch genommen hat. Damit wird nachvollziehbar, dass jeder mal mit „edlem“ Fleisch dabei ist.