Wissenschaftler wohnen im Gästehaus der Universität – einen Monat lang oder auch ein Jahr

Hier auf dem Fußweg an der Rothenbaumchaussee gegenüber dem Curio-Haus hat die kleine Sabine Fahrradfahren gelernt. Da war sie drei Jahre alt. Wenn Marianne Kaul-Connolly daran zurück denkt, wird sie ein wenig sentimental. Vor 34 Jahren war das. Damals war sie mit ihrem Mann John und ihren Töchtern Sabine und Fiona zum ersten Mal im Gästehaus der Universität an der Rothenbaumchaussee 34. Jetzt, zum 50-jährigen Bestehen des Hauses, ist das Ehepaar aus Northampton, Massachusetts, USA, wieder zu Gast. Wissenschaftler aus aller Welt haben in der Altbauvilla auf vier Etagen ein Zuhause auf Zeit.

Ein Jahr lang bleiben die Connollys, weil der 69-jährige John, Philosophieprofessor und Direktor am Smith College, in Hamburg zwölf Gast-Studenten des Smith College betreut. „Ich bin für das Wohl der Studenten verantwortlich“, sagt er in perfektem Deutsch. Das hat er bei früheren Aufenthalten in Österreich gelernt und natürlich hat ihm das auch seine deutsche Frau Marianne beigebracht. „Ich habe enorm viel Arbeit damit, eine Brücke zwischen dem deutschen und amerikanischen Universitätssystem zu schlagen“, sagt er, und fügt hinzu: „In Deutschland gibt es viel mehr Bürokratie!“ Das Paar bewohnt gleich zwei der 50 möblierten Appartements. „Wir haben so häufig Besuch, dafür brauchen wir den Platz“, sagt Marianne Kaul-Connolly.

Wissenschaftler, Dozenten, Doktoranden, emeritierte Professoren aus den USA, Kanada, Australien, Japan, Russland, Brasilien – alle wohnen sie unter einem Dach für eine Monatsmiete zwischen 570 und 1838 Euro. Trägerin ist seit 1963 die „Stiftung weltweite Wissenschaft“.

Sie kommen alle zum Arbeiten und lernen auch den Alltag in Hamburg kennen. „Wir fühlen uns sehr wohl“, sagt Marianne Kaul-Connolly. Sie gehen häufig an der Alster spazieren, besuchen die Museen und Theater der Stadt. „Wir sind alle aus wissenschaftlichen Gründen in die Stadt gekommen. Dieses Gemeinsame schafft eine Basis für Gespräche und Kontakte“, sagt John Connolly. Dass die zurzeit 77 Gäste aus 22Nationen miteinander in Kontakt kommen und nicht wie in einem Hotel nebeneinander her leben, dafür sorgt General Manager Anna-Maria Karl. Sie ist nicht nur für alle Formalitäten und für die Verwaltung zuständig, sondern auch so etwas wie die gute Seele des Hauses.

Jeden Monat gibt es eine „Social Hour“ in den mondänen Klubräumen. Dort können sich die Gäste bei Wein und Snacks unterhalten. Oder bei einem Orangensaft. Denn viele Gäste bringen ja auch ihre Kinder mit, wenn sie für ein, zwei Monate oder für ein ganzes Jahr in Hamburg leben und arbeiten. Für die hat Anna-Maria Karl eigens eine Kinderbibliothek eingerichtet. „Wenn Gäste fragen, was sie aus ihrer Heimat mitbringen können, bitte ich um ein Kinderbuch aus ihrem Land.“

Die Türkin Aslihan Boko aus Montréal (Kanada) muss jeden Morgen mit dem Fahrrad um die Ecke in die Bornstraße fahren, um dort ihren dreijährigen Sohn Jivan in die Kita zu bringen. Anschließend besucht die 32-Jährige einen Integrationskurs der Volkshochschule an der Karolinenstraße. Ihr Mann Jonathan Duquette, Post-Doktorand von der Concordia University, arbeitet als Indologe am Asien-Afrika-Institut. Die Nachmittage verbringt Aslihan Boko mit ihrem Sohn auf den Spielplätzen im Viertel.

Was sie an der Stadt schätzt? „Ich kann alles zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen. Ein Auto braucht man hier nicht“, sagt Aslihan Boko.

Wenn Gäste fragen, was sie aus ihrer Heimat mitbringen können, bitte ich um ein Kinderbuch aus ihrem Land.