Die Zahl der Einwandererkinder in Hamburg steigt. 1120 Schüler lernen in Vorbereitungsklassen

Veronicas Eltern haben Tarragona im Süden Kataloniens verlassen, weil sie ihre Jobs dort verloren haben. Samars Vater musste aus dem Iran fliehen, weil er politisch verfolgt wurde. Nun sitzen die 15-Jährigen in der ersten Reihe in der Vorbereitungsklasse für die Jahrgangsstufen 7 und 8 in der Stadtteilschule Barmbek an der Fraenkelstraße. Mit dem Zustrom an Auswanderern nimmt auch die Zahl der Einwandererkinder zu. In den vergangenen fünf Jahren stieg die Zahl der vorbereitenden Klassen für Schüler aus dem Ausland von 40 auf 97 an. 1120 Kinder gingen Ende 2012 in solche Klassen. Bevor sie die Schule ihres Wohnviertels besuchen, führt ihr Weg in eine der Klassen, in denen sie auf das deutsche Schulleben vorbereitet werden.

„Wenn es in einem Land brennt, merkt man es daran, dass deren Kinder zu uns kommen“, sagt Schulleiter Bernd Tißler. Schüler aus 56 Nationen mit 40verschiedenen Muttersprachen besuchen die Schule. Die meisten Einwandererkinder kommen aus Afghanistan (101) und Polen (82). Mehr als 100 Jungen und Mädchen aus anderen Ländern sind es in diesem Schuljahr allein an der Stadtteilschule Barmbek. „In anderen Stadtteilen, die privilegierter sind als Barmbek, würde man wohl von einer internationalen Schule sprechen“, sagt Björn Lengwenus, Abteilungsleiter am Standort Fraenkelstraße. Im Moment sind es nicht mehr nur Schüler aus Kriegsgebieten, sondern Kinder der „neuen“ Gastarbeiter aus den wirtschaftlich gebeutelten Ländern wie Spanien oder Griechenland.

Veronicas 14 Mitschüler kommen aus Polen, Mazedonien, Vietnam, Griechenland, Afghanistan, Benin, Schweden und Ecuador. Ein Jahr lang hat Klassenlehrerin Ronja Strehlow Zeit, ihnen Deutsch beizubringen. Und: Sie müssen an das deutsche Schulsystem herangeführt werden. Bei einigen geht das problemlos, bei anderen, die durch Kriegserlebnisse traumatisiert oder nie in eine Schule gegangen sind, nur behutsam. „Diese Kinder brauchen Nähe“, sagt Lengwenus.

In dem Klassenraum von Lehrerin Strehlow ist es ruhig, jeder Schüler sitzt an seinen Aufgaben. Weil die Voraussetzungen der Kinder so unterschiedlich sind, ist der Unterricht auf die Fähigkeiten jedes einzelnen zugeschnitten. Nach den 365 Tagen sollen Veronica und die anderen in ganz reguläre Klassen gehen können. Das ist von der Schulbehörde so vorgesehen. Wer mehr Zeit benötigt, kann nur in Ausnahmefällen länger in einer internationalen Vorbereitungsklasse bleiben.

Kaum einer der Schüler lebt länger als acht Monate hier, aber ihr Deutsch ist so gut, dass eine Unterhaltung möglich ist. So ähnlich die Deutschkenntnisse sind, so verschieden sind die Lebensgeschichten. Während Malcolm, 14, aus Stockholm mit seinen Eltern und seinen zwei jüngeren Brüdern nach Eppendorf gezogen ist, weil seine Mutter im Bereich Medizin-Marketing hierher versetzt worden ist, beugt sich zwei Plätze weiter Subair, 15, aus Dschalalabad in Afghanistan über sein Deutschheft. Ganz allein war er vor den Taliban über die Türkei, Griechenland und Italien nach Deutschland geflohen. „Die Taliban wollten mich als Kämpfer haben“, sagt er. Seine Mutter hat er seit einem Jahr nicht mehr gesprochen. „Ich vermisse sie sehr.“ Nun lebt Subair in einer Wohngruppe in Langenhorn.

Der Teenager hat den Krieg erlebt, viele Tote gesehen, immer noch leidet er unter Schlafstörungen, aber: „In Deutschland ist es ruhig. Es gibt keine Taliban.“ Subair möchte bleiben und Busfahrer werden. „Die haben einen unglaublichen Willen zu lernen“, sagt Klassenlehrerin Strehlow.