Die Sülfelderin schlägt in Schenefeld mit ihrem Hengst Schorsch überraschend die gesamte nationale Elite

Die Deutsche Meisterin im Vielseitigkeitsreiten kommt aus dem Kreis Segeberg: Die Sülfelderin Julia Mestern, die für den RV Floggensee im Klövensteen startet, sicherte sich in Schenefeld auf ihrem 14-jährigen Hengst Schorsch überraschend den Sieg. Überraschend deshalb, weil sie nach einem Mittelfußbruch eine vier Monate lange Zwangspause einlegen musste und bis zur DM kein größeres Turnier bestreiten konnte. "Ein anderes Pferd hatte ausgeschlagen und mich damals unglücklich getroffen", so die 34 Jahre alte Ausbilderin.

Bis vor acht Wochen waren Aktivitäten auf dem Pferderücken tabu. "Anfangs war es schwierig zu akzeptieren, so lange nichts machen zu können", sagte sie. Die Zwangspause hatte vor allem aus privater Sicht auch etwas Gutes. "Ich bin umgezogen und jetzt mit meinem neuen Freund Philipp Bandilla zusammen in Sülfeld. Wenn man zwölf Jahre lang fast jedes Wochenende auf Turnieren unterwegs ist, tut es ganz gut, sich auch mal zurücklehnen und an andere Dinge denken zu können."

Bei der WM in Lexington starten sechs andere Vielseitigkeitsreiter

Sportlich hat sie die Zwangspause allerdings die Nominierung für die Weltreiterspiele in Lexington/USA (25. September bis 10. Oktober) gekostet. Bundestrainer Franz Melzer (Salzhausen) überging die frischgebackene Meisterin bei der Zusammenstellung der deutschen Mannschaft und nominierte stattdessen Weltcup-Sieger Michael Jung (Horb), Andreas Dibowski (Dohle), Ingrid Klimke (Münster), Frank Ostholt (Warendorf), Dirk Schrade (Sprockhövel) und Simone Deitermann (Saerbeck). Mestern: "Das ist eine sehr starke Mannschaft. Meine Chance auf eine Weltmeisterschafts-Teilnahme war eh nur minimal, da ich im Gegensatz zu den anderen Reitern in diesem Jahr bislang ja noch keine Vier-Sterne-Prüfung absolviert habe."

Weil sich Julia Mestern erst seit knapp acht Wochen wieder im Training befindet, fehlen ihr noch die Wettkampfpraxis und Konstanz in den Leistungen. Während der Vorbereitung auf die Deutsche Meisterschaft reichte die Zeit nur für Starts bei zwei Prüfungen auf niedrigerem Niveau in Hünxe und Sahrendorf - einmal wurde sie Zweite, einmal schied sie in Führung liegend im Gelände aus.

Es gab in Schenefeld wohl kaum einen Mitstreiter, der ihr den DM-Triumph nicht gönnte. Die Mannschafts-Olympiasiegerin von 2008 und Titelverteidigerin Ingrid Klimke, die auf Abraxxas nach Dressur und Geländeritt ebenfalls noch gute Siegchancen hatte, machte der Neu-Sülfelderin vor dem abschließenden Springen sogar noch einmal Mut. Klimke wurde im Endklassement Fünfte und gewann in der Meisterschaftswertung Bronze, weil Michael Jung mit seinen Pferden River of Joy, Sam und Leopin die Plätze zwei, drei und vier belegte. Mestern: "Am Ende hat sich fast jeder mit mir gefreut. Ich habe massenweise Glückwunsch-SMS bekommen."

Viel Zeit, den mit 4000 Euro honorierten Überraschungscoup zu genießen, bleibt nicht: In zwei Wochen beenden die Deutsche Meisterin und Schorsch die Saison bei einer langen Drei-Sterne-Prüfung in Blenheim. Nach England wird sie zusammen mit Philipp Bandilla reisen, der ebenfalls Vielseitigkeitsreiter ist. "Das Tolle an unserem Sport ist das enge Zusammenarbeiten mit dem Pferd. Das ist viel intensiver als bei anderen Disziplinen", sagte Julia Mestern, die wegen des Auslandstrips nicht am Landesturnier in Bad Segeberg (10. bis 12. September) teilnehmen kann. Anschließend stehen eventuell noch einige Starts bei kleineren Spring- oder Dressurturnieren auf dem Programm.

Das Ziel für 2011 ist die EM-Teilnahme in Luhmühlen

In der kommenden Saison will Julia Mestern, die seit 16 Jahren Pferdesport betreibt und als Voltigiererin angefangen hat, dann richtig angreifen: "Mein Ziel ist es, ins deutsche Team für die Europameisterschaften in Luhmühlen zu kommen. Ich glaube, meine Chancen stehen ganz gut." Der Bundestrainer jedenfalls weiß, was sie kann - schließlich war sie sein Geheimtipp bei den nationalen Titelkämpfen gewesen. "An einem guten Tag kann Julia alle schlagen", hatte Hans Melzer vor der DM prophezeit. Für viele war es dann aber doch eine große Überraschung, dass es ihr tatsächlich gelang, die versammelte nationale Elite zu düpieren. Auch Mestern hatte nicht im Entferntesten mit ihrem Erfolg gerechnet. "Ich wollte mich eigentlich nur gut präsentieren. Dass wir gewonnen haben, ist einfach unfassbar. Besser geht es nicht", sagte sie bei der Siegerehrung gerührt.